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Wie gut ist Ihrer Meinung nach die Bevölkerung in Tirol in Sachen HIV/AIDS aufgeklärt?

Dr. Zangerle: Wissenschaftlich fundierte Aussagen lassen sich darüber nicht machen. Man darf vermuten, dass das Wissen dem durchschnittlichen europäischen Niveau entspricht. Man sollte sich aber schon die Frage stellen, wie detailreich die Aufklärung für wen denn überhaupt sein soll. Es macht ja keinen Sinn wenn meine über 80-jährigen Eltern sich Gedanken über Nebenwirkungen der HIV-Therapie machen. Eines muss meinen Eltern jedoch klar sein, dass soziale Kontakte mit Betroffenen wichtig sind, und dass es dazu auch keinen besonderen Mut braucht..

Übrigens, so sieht es die Mehrheit der Menschen hier in Tirol, auch meine Eltern (in Vorarlberg). Eine Auffrischung der Aufklärung täte aber gut. Die Diskriminierung von HIV-Positiven hat etwas abgenommen, so leicht wird sie durch Aufklärung allein nicht verschwinden. Denken Sie an die verhetzenden Sager eines Tiroler Nationalratsabgeordneten, von dem sich aber praktisch alle anderen Politiker scharf distanzierten.

Richtig Not leidet die Aufklärung über Prävention der HIV-Infektion bei jungen Homosexuellen.  Bei Asylwerbern müsste die Aufklärung erst angestoßen werden.
 
Wie läuft der Test ab?

Dr. Zangerle: Für den HIV Test ist eine einfache Blutabnahme nötig, die grundsätzlich in jeder Praxis,  Ambulanz oder AIDS-Hilfe durchgeführt werden kann. Der eigentliche Test erfolgt dann in dazu berechtigten Labors. Es ist auch möglich den Test anonym durchführen zu lassen. In Tirol wird der HIV-Test auf Wunsch von Betroffenen an und für sich bezahlt, allerdings ist diese Initiative ein wenig eingeschlafen. Wenn der HIV-Test zur Abklärung von Beschwerden durchgeführt wird, dann zahlen natürlich die Krankenkassen.

Die Diagnose der HIV Infektion wird dann gestellt, wenn der HIV Antikörper Suchtest (inzwischen Kombinationstest: Antikörper/Antigen-Test) eine positive Reaktion zeigt und auch der dann zwingend notwendige Bestätigungstest (Western Blot Test) positiv ist.

Grundsätzlich sollte der HIV Test bei wesentlich mehr Menschen gezielt durchgeführt werden, da die Diagnose der HIV Infektion bei ca. einem Drittel der Infizierten erst im späten Stadium der Infektion gestellt wird.  Das ist aber nicht Tirol-spezifisch, sondern die späten Diagnosen sind eine Herausforderung für ganz Europa. 
 
Wie lange muss man auf das Testergebnis warten?

Dr. Zangerle: Der HIV Antikörper Suchtest selbst braucht nur wenig Zeit (ca. 1 Stunde), deshalb ist der Transport von der Blutabnahme ins Labor oft das länger Dauernde. Ein negatives Testergebnis kann innerhalb eines Tages, mancherorts in nur wenigen Stunden erhalten werden. Länger als 2 bis 3 Tage sollte es aber nie dauern.

Ein positives Ergebnis muss durch einen besonderen Test bestätigt werden (Westernblot als Bestätigungstest),  das kann dann bis zu einer Woche dauern. Der Bestätigungstest darf in Tirol nur von der Sektion Virologie der Universität gemacht werden.
 
Auf welchem medizinischen Stand sind Therapiemöglichkeiten in Tirol?

Dr. Zangerle: Die Versorgung von HIV-positiven Menschen in Tirol entspricht dem neuesten wissenschaftlichen Standard. Darüberhinaus kann die Versorgung als sehr umfassend bezeichnet werden, mit Integration von Sozialarbeit, klinischer Psychologie, Physio- und Ergotherapie und Diätberatung. An der Klinik in Innsbruck zu ist der leichte Zugang zu allen medizinischen Disziplinen hervorzuheben, die HIV-Infektion kann z.B. auch Herz-Kreislauf Erkrankungen beschleunigen.

Wie hoch ist die Neuinfektionsrate in Tirol im Vergleich zu den vergangenen  Jahren?

Dr. Zangerle: Über die Neuinfektionsrate in Tirol liegen ebenso wie für andere Bundesländer oder andere Länder zu wenig Daten vor, weil die Neuinfektionen (frische HIV Infektion) leider viel zu selten erfasst werden. Hier ist im medizinischen System eine höhere Sensibilität und ein wesentlich großzügiger Einsatz des HIV Tests notwendig.

Neue Diagnosen einer HIV-Infektion, die oft fälschlich neuen Infektionen gleich gesetzt werden, sind bei TirolerInnen in den letzten Jahren relativ konstant geblieben. Bei etwa 25 Personen aus Tirol wird pro Jahr die Diagnose HIV gestellt. Das mittlere Alter bei der Diagnose liegt bei knapp über 30 Jahren.
 
Wie wichtig ist Ihrer Meinung ein Projekt wie Philippes Marsch quer durch Österreich?

Dr. Zangerle: Jede Aktion die in der Öffentlichkeit das Bewusstsein, die Information und die Bereitschaft der Bevölkerung fördert sich mit der HIV Infektion auseinander zu setzen, ist ein wichtiger Schritt, das Leben der Betroffenen näher an die Normalität zu bringen. Mit seiner außergewöhnlichen Aktion kann Phillippe quer durch Österreich das Interesse an der HIV Infektion beleben. Seine Füße werden es hoffentlich aushalten.

Bei dieser Gelegenheit muss ich das Radteam der Klinik Innsbruck (HIV-Team-Tirol) erwähnen, das anlässlich der internationalen AIDS Konferenz im Juli mit dem Rennrad von Innsbruck direkt zum Kongress fährt, um dort einen Preis an eine Afrikanerin zu verleihen, die sich um die Reduktion von Gewalt gegen Frauen mit HIV sehr verdient gemacht hat.