Es ist ein Bild aus einem Helmut Qualtinger-Sketch. Zwei, drei Funktionäre samt Entourage sitzen beim Heurigen und reden und reden und irgendwann - man schreibt weit nach Mitternacht - einigt man sich, irgendwie. Es ist ja schon spät, der Streit will beigelegt werden, jetzt ist irgendwie genug. Dem gemischten Satz sei Dank, ab morgen können die Patienten wieder ihre E-Card stecken. Gehen wir über zum gemütlichen Teil. Was wurde nicht alles erreicht.

Bis September werde man schon brauchen, hieß es. Zwei Monate gewährte der Minister Galgenfrist. Nun ist dann doch alles recht schnell gegangen. Nach sieben Stunden Verhandlungen wurde der Pakt besiegelt. Es ist ein Entscheidungsfindungsprozess der österreichischen Art, ist man versucht zu schreiben. Zunächst Gezanke und Gebrülle. Dramatische Gesten im ersten Akt, noch dramatischere im zweiten Akt samt Betroffenenchor im Hintergrund, und dann - kurz bevor die Stimmen des Chores lauter werden - der Spannungsabfall, alles wieder gut. Doch reduziert auf das Ergebnis haben es sich SVA und Ärztekammer mit dem Chor leicht gemacht. Die einen bekommen etwas mehr Geld, Laboruntersuchungen werden günstiger, liegen aber noch immer weit höher als bei anderen Versicherungen. Die Versicherungen bekommen durch mehr Vorsorgeuntersuchungen zum bestehenden "Wurstsemmel"-Angebot noch einen Apfel und ein Joghurt hinzu, so SVA-Obmann Christoph Leitl.

Es sei ein „Riesenerfolg" für die Versicherten, so Gesundheitsminister Alois Stöger heute. Mitnichten. Für die Versicherten ändert sich nichts. 20 Prozent Selbstbehalt bleiben ebenso bestehen, wie die im Vergleich zu anderen Krankenkassen höheren Honorare. Durch den Anstieg der Ärztetarife steigt natürlich auch der jeweilige Selbstbehalt. Eines soll sich jedoch ändern: Aus einer Krankenkasse werde eine Gesundheitskasse, posaunte Leitl. Man will ein Gesundheitsvorsorgesystem installieren, bei dem der Hausarzt gewisse zu erreichende Parameter festsetzt (Gewicht oder Cholesterinwert, beispielsweise). Erreicht der Patient das Ziel des Mediziners, darf er sich freuen. In Zukunft muss er nur mehr 10 Prozent Selbstbehalt zahlen. So angedacht soll es ab 2011 einen Versuch geben und bei einem neuen Vertrag 2012 eingeführt werden.

So ehrenvoll die Maßnahmen zur Gesundheitsprävention sein mögen, die Koppelung der Vorsorgeuntersuchung an die Beitragshöhe der Versicherten - und das ist ein Selbstbehalt indirekt auch - führt zu einer weitere Ökonomisierung der Medizin. In Zukunft werden wir womöglich ein jährliches Zeugnis bekommen, die Klassenbesten bekommen vielleicht gar einen Bonus. Wer durchfällt, dem wird Versicherungsleistungen vorenthalten. Noch sind wir nicht da, doch alarmierend ist die Ankündigung des Versuchs an sich. Der jeweilige Gesundheitszustand ist auch abhängig von der jeweiligen Lebensführung, ja sicher, aber nicht immer und nicht bei allen Krankheiten. Vorsorgeuntersuchungen sollten verpflichtend sein. Doch Bestrafungen durch finanzielle Abschläge führen dazu, dass diejenigen die sowieso nicht gut auf ihre Gesundheit schauen, durch den Selbstbehalt zweimal überlegen, ob sie statt zum Arzt lieber zum Heurigen oder auf eine Wurstsemmel gehen. (seb, derStandard.at, 10.6.2010)