NS-Raubkunst (v.o.n.u.): Klimts Mohnwiese, Zwei Altarflügel mit Stiftern, Cholerakapelle bei Baden (Ausschnitt) und Schieles Mutter mit zwei Kindern III

Fotos: Belvedere, KHM

Es geht u. a. um Werke von Klimt, Schiele und van Heemskerck.

Wien - Schon lange nicht war eine Sitzung des Kunstrückgabebeirats mit solcher Spannung erwartet worden. Denn das von Clemens Jabloner geleitete Gremium hat sich am Donnerstag, 10.6.,  gleich mit vier Fällen - darunter sehr komplexe und zum Teil schon seit 1998 bekannte - auseinanderzusetzen. Agnes Husslein, die Direktorin des Belvedere, erhob gegenüber der APA vorsorglich Einspruch: Eine Restitution von Egon Schieles "Mutter mit zwei Kindern III" wäre "krasser Rechtsbruch", sie sei fest entschlossen, mit allen Rechtsmitteln um den Verbleib des Bildes "zu kämpfen".

Die Vorgeschichte: Nach dem Weltkrieg erhielt Jenny Steiner, nach New York geflohen, nur wenige Gemälde ihrer Kunstsammlung zurück, darunter "Mutter mit zwei Kindern III". Da ihr keine Ausfuhrgenehmigung erteilt worden sei, verkaufte sie das Bild 1951 an die Österreichische Galerie im Belvedere - um 20.000 Schilling.

Laut Kunstrückgabegesetz aus 1998 mussten Kunstwerke "unentgeltlich" ins Bundeseigentum übergegangen sein, um zurückgegeben werden zu können. Der Beirat sprach sich daher im Jahr 2000 gegen eine Restitution aus. Doch im Herbst 2009 wurde das Gesetz novelliert. Nunmehr können auch Kunstgüter restituiert werden, für die nach 1945 im Zusammenhang mit Ausfuhrverboten ein Preis bezahlt wurde. Der Beirat beschäftigte sich mit dem Fall daher am 19. März, vertagte aber die Entscheidung. Man hielt ergänzende Ermittlungen für notwendig. Die Ergebnisse liegen nun vor.

Agnes Husslein argumentiert, dass vom Bundesdenkmalamt gar kein Verfahren "über das Verbot der Ausfuhr von Gegenständen" eingeleitet worden sei. Damit fehle die Voraussetzung für eine Rückgabe. Der einzige Hinweis auf ein Ausfuhrverbot sei eine Notiz des damaligen Direktors, die völlig bedeutungslos sei, weil diese Person weder ein Verfahren zur Verhängung eines Ausfuhrverbotes einleiten konnte, noch einen Bescheid erlassen hätte können.

Umweg über Leopold

Bezüglich der "Mohnwiese" von Gustav Klimt, die Emile Zuckerkandl über seinen Anwalt Alfred Noll zurückfordert, wurde hingegen definitiv keine Ausfuhrgenehmigung erteilt. Die Zuckerkandls boten das Gemälde notgedrungen dem Belvedere an. Doch die Verhandlungen scheiterten. 1957 verkaufte Emile Zuckerkandl das Bild an den Augenarzt Rudolf Leopold. Dieser wollte die "Mohnwiese" aber gar nicht für sich: Wenige Tage später bot er der Österreichischen Galerie das Bild an - im Tausch gegen zwei Werke von Egon Schiele, nämlich "Kardinal und Nonne" sowie "Zwei kauernde Frauen". Das Belvedere war einverstanden.

Die Frage, wie der Beirat entscheiden wird, ist völlig offen. Denn mit einem solchen Sonderfall - das Werk, das Gegenstand eines Rückstellungsverfahren war, kam "nur" durch einen Umweg ins Bundeseigentum - dürfte man bei der Formulierung der Novelle nicht gerechnet haben.

Sehr wahrscheinlich hingegen ist, dass der Beirat eine Rückgabeempfehlung im Fall von Richard Neumann ausspricht. 1938 wurde dessen Villa von Daisy Prinzessin Fürstenberg "arisiert", die NS-Behörden stellten einen Teil der Kunstsammlung sicher: Zwei Kremser Schmidts gingen ans Städtische Museum Krems, zwei Altarflügel mit Stiftern von Maerten van Heemskerck und vier weitere Werke ans Kunsthistorische Museum. Neumann floh mit seiner Familie nach Kuba.

Das KHM bestand nach dem Krieg auf der Rechtmäßigkeit der Erwerbung (Neumanns Tochter hätte 18.000 Reichsmark erhalten), verlor aber den Prozess (das Geld behielt die NS-Bürokratie ein). 1953 kam es zur Einigung: Neumann bekam 3000 Dollar und ein Bild von Goosen van der Wexden als Ersatz. 1998 bezeichnete KHM-Archivar Herbert Haupt den Besitz der Altarflügel in seiner Sachverhaltsdarstellung über die Erwerbungen in der NS-Zeit daher kategorisch für "unbedenklich".

Laut der Provenienzforscherin Sophie Lillie, die den Fall recherchierte, hätte Neumann gar keine andere Wahl gehabt habe, weil das Werk mit einem Ausfuhrverbot belegt worden war. Der Rückgabebeirat sprach sich 2002 dennoch gegen eine Restitution aus. Aber nicht nur die Novelle legt ein Umdenken nahe: 2007 gab die Stadt Krems die zwei Gemälde von Johann Martin Schmidt zurück.

Ganz sicher revidieren wird der Beirat seine Empfehlung vom 20. November 2009, Jakob von Alts "Cholerakapelle bei Baden" nicht zu restituieren. Damals argumentierte man, dass nicht gesichert sei, ob es sich bei dem im Belvedere befindlichen Werk um jenes aus dem ehemaligen Eigentum von Ludwig Neurath handelt. Nun dürften neue Unterlagen gefunden worden sein: Auch dieser Fall wird noch einmal behandelt. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2010/red)