Berlin - Die Sozialdemokraten sind dafür, die Grünen auch, die Linken sowieso: In Deutschland müsse der Spitzensteuersatz angehoben werden, verlangt die Opposition seit Jahren unisono. Jetzt aber wird der Ruf nach einer steuerlichen Belastung von Besserverdienenden auch innerhalb der CDU immer lauter. "Als Signal für die Notwendigkeit einer breiten, gemeinsamen Anstrengung in unserer Gesellschaft hätte ich mir gewünscht, dass auch die Spitzeneinkünfte einen besonderen Beitrag leisten" , sagt Bundestags-Präsident Norbert Lammert (CDU).

Seine Kritik bezieht sich auf das Sparpaket, das die schwarz-gelbe Bundesregierung an diesem Montag vorgelegt hat. 80 Milliarden Euro will sie bis zum Jahr 2014 einsparen. Gekürzt wird bei Unternehmern, Beamten, Familien und den sozial Schwachen, nicht jedoch am oberen Ende der Gehaltspyramide.

Lammert ist nicht der einzige, der nun fürchtet, dass es scharfe Proteste gegen die "soziale Schieflage" des Pakets geben wird. Sogar Kurt-Joachim Lauk, der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, fordert zunächst die Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes und meint: "Wenn wird das tun, sind wir auch offen in dem Paket, den Spitzensteuersatz anzuheben." Lauk denkt an "zwei, drei oder vier Prozent mehr" . Derzeit beträgt der Spitzensteuersatz in Deutschland 45 Prozent.

Somit befindet sich der Wirtschaftsflügel in seltener Einheit mit dem CDU-Sozialflügel. Der Bundesvize der CDU-Sozialausschüsse, Christian Bäumler, fordert eine befristete Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor. Dieser könnte ab einem Jahreseinkommen von 250.000 Euro 47,5 Prozent betragen. Warum dies bei Kanzlerin Angela Merkel bisher keinen Anklang fand, erklärt er so: "Ich denke, das liegt an der FDP."

FDP warnt vor Änderung

Tatsächlich machen die deutschen Liberalen Merkel von der anderen Seite her Druck. Sie wehren sich gegen jede Art der Steuererhöhung, egal, ob Mehrwert- oder Einkommensteuer. Dies wäre "Gift für die Konjunktur" , sagt FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger und warnt die CDU: "Ich erwarte, dass der Koalitionspartner das Konzept auch gemeinsam vertritt."

Die Nerven liegen so blank, dass Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei der Spar-Klausur am Wochenende als "Rumpelstilzchen" bezeichnet haben soll. Dies berichten mehrere deutsche Medien. Guttenberg jedoch nimmt es gelassen: "Rumpelstilzchen konnte aus Stroh Gold spinnen. Wenn ich das könnte, dann hätten wir die ganzen Sparprobleme nicht." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.6.2010)