"Faymann übernahm einen Betrieb mit demotivierten Leuten, der an der schwarzen Null kratzte." PR-Berater Ecker über die SPÖ vor zwei Jahren.

Foto: Isabel Russ

"Was wird am Stammtisch diskutiert? 'Jetzt kriegen die Banken Milliarden - wir müssen's zahlen.' Dieser Stimmung kann sich die ÖVP nicht entziehen."

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"Der Bundeskanzler hat 6000, 7000 Euro netto. Der Raiffeisen-Filialleiter von Mistelbach-Süd kriegt dasselbe." Regierungspolitiker findet Unternehmer Ecker schwer unterbezahlt.

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Vor dem SPÖ-Parteitag am Samstag muss sich Werner Faymann nicht fürchten. Sagt Dietmar Ecker. Der frühere SPÖ-Pressesprecher leitet heute eine der größten PR-Agenturen des Landes. Mit Faymann rede er häufiger als mit dessen Vorgänger Alfred Gusenbauer. Wie der Kanzler sowohl die Parteibasis befrieden als auch die ÖVP auf Trab halten wird, ließ sich Lukas Kapeller erklären.

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derStandard.at: Bundeskanzler Werner Faymann versucht seit einigen Monaten, sein Image zu verändern - weg von "Genug gestritten" hin zu einem kantigen SPÖ-Chef, der klassische Fragen wie Verteilung forciert. Wird sich das rentieren?

Ecker: Ich halte es für parteipolitisch richtig, dass die SPÖ die Gerechtigkeitsdiskussion anzieht. Was wird am Stammtisch diskutiert? "Jetzt kriegen die Banken Milliarden - wir müssen's zahlen." Es geht darum, ein Gerechtigkeitsgefühl zu erzeugen. Da ist der österreichischen Sozialdemokratie in den letzten Monaten sehr viel gelungen.

derStandard.at: Faymann setzt auf die richtige Strategie?

Ecker: Ich glaube das wirklich. Faymann wird von den Medien in Summe schlechter bewertet, als er tatsächlich ist. Er hat die Partei mit 20 Prozent übernommen. Das war in Wirklichkeit beim Alfred (Gusenbauer, Anm.) der Stand. Die SPÖ hat sich in Wirklichkeit daran aufgebaut, wie blöd Schwarz-Blau ist. Jeden Ansatz von Gusenbauer - wie die solidarische Leistungsgesellschaft, die nicht uninteressant war - hat man ruiniert. Das war eine inhaltlich ausgedünnte Partei, die sich gefreut hat, dass Schwarz-Blau ganz blöd ist. So kamen wunderbare Wahlergebnisse zustande.

derStandard.at: Dennoch muss Faymann eine Reihe von Wahlniederlagen erklären.

Ecker: Unternehmerisch gesprochen hat Faymann einen Betrieb mit demotivierten Leuten übernommen, der so gerade an der schwarzen Null kratzte. Einen Betrieb, der nicht mehr in Forschung und Entwicklung investiert hat. Dann kamen die Landtagswahlen 2009, die mitten in dieser europäischen Stimmung waren: Alles, was links ist, wird jetzt einmal bestraft. Das hat man auch bei der Wahl in Deutschland gesehen.

derStandard.at: Irgendwo muss die vielbeschworene Krise der Sozialdemokraten doch herkommen.

Ecker: Als 2008 die Krise begann, hat die Sozialdemokratie in ganz Europa riesige Watschen bekommen für das Nicht-Aufgreifen des Themas. Die Leute haben gespürt, da gibt es eine ungerechte Verteilung, da gibt's Milliardäre, und die Sozialdemokratie hat teilweise mitgemacht bei diesem System. Da war die Sozialdemokratie nicht mehr glaubwürdig. In Österreich hat das jetzt, finde ich, sehr gut begonnen, die Verteilungsgerechtigkeit aufzugreifen und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Das funktioniert aber nicht in wenigen Wochen.

derStandard.at: Einer der häufigsten Vorwürfe an die SPÖ: Sie schielt in wichtigen Fragen auf die Boulevardmedien.

Ecker: Ich könnte zynisch antworten: Wenn Sie keine Machtbasis in der Wirtschaft mehr haben, ist Ihre einzige Basis, massenmedial halbwegs vernünftig rüber zu kommen. Für die ÖVP ist manches leichter, weil sie gute Kontakte im Bankensektor und in artverwandten Wirtschaftsbetrieben hat. Stellen Sie sich vor, die SPÖ wird auch noch von den Massenmedien ruiniert. Machtpolitisch ist es richtig, dass eine sozialdemokratische Partei mit den größten Medien des Landes ein vernünftiges Verhältnis hat. Wenn nicht, kommt sie in eine fatale Situation. Gusenbauer hat das ja gesehen in der letzten Phase.

derStandard.at: Am Parteitag am Samstag beschließt die SPÖ offiziell die Wünsche nach einer Börsenumsatzsteuer, einer höheren Stiftungsbesteuerung und sonstigen vermögensbezogenen Steuern. Ist das nicht ein Retro-Programm?

Ecker: Nein, schauen wir uns das einmal die nächsten Monate an. Die SPÖ hat jetzt zwei Aufgaben: Erstens muss die Budgetkonsolidierung so ausschauen, dass vernünftige Steuern sie finanzieren. Zweitens braucht es Einsparungen. Es gibt veraltete Strukturen, die überhaupt nichts mehr bringen. Das sind Reformschritte in der Verwaltung. Jetzt kannst du dich entscheiden, wo große Budgetbrocken hingehen: in Bildung und Forschung oder in veraltete Strukturen, wo du halt ein paar alte Funktionärskader bedienst. Das steht der Sozialdemokratie in Summe noch bevor, aber sie geht in die richtige Richtung.

derStandard.at: Was erwarten Sie vom Parteitag?

Ecker: Ich gehe davon aus, dass der Parteitag sehr vernünftig laufen wird. Aber wer Parteitage kennt, da muss man bitten, nicht alles wörtlich zu nehmen. Das ist eine innerbetriebliche Motivationsveranstaltung, würde man in der Wirtschaft sagen. Wer im politischen Geschäft ist, kennt die Emotionalität von Parteitagen und sollte ein bisschen gnädig sein, wenn da die eine oder andere, sagen wir einmal, nordkoreanische Allüre vorkommt.

derStandard.at: Ihr Urteil vor einem Jahr zum SPÖ-Kurs: Die von Franz Voves angezettelte Gerechtigkeitsdiskussion ist gut, eine Vermögenssteuer wäre schlecht, weil sie zu einer Betriebssteuer werde. Jetzt wird Faymann am Parteitag einem Antrag der roten Gewerkschafter für eine Vermögenssteuer zustimmen.

Ecker: Ich sehe das im Kontext der Diskussion, ein verteilungsgerechtes Klima zu erzeugen für die Diskussionen bis November (Budgeterstellung mit der ÖVP, Anm.). Ich habe mit Faymann drüber gesprochen, bei der Vermögenssteuer wird es auch um die Frage der Ausgestaltung gehen.

derStandard.at: Sie denken nicht, dass dieser Antrag der Gewerkschaft in absehbarer Zeit eine Gesetzesvorlage wird?

Ecker: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sozialdemokratie eine Vermögenssteuer macht, wo der durchschnittliche Häuslbauer und Eigentumswohnungsbesitzer zahlt. Ich bleibe aber dabei: Bei einer Vermögenssteuer muss man immer aufpassen, dass sie keine Betriebssteuer wird. Das war sie bis zu ihrer Abschaffung zu 80 Prozent. "Vermögenssteuer", "Eat the Rich" sind gute Überschriften. Da muss ein Parteivorsitzender vernünftig tarieren, dass er da drüber kommt. Das ist vielleicht eine Geschichte, wo ich sage "Freunde, nicht nur Überschriften", aber in Summe ist das Teil einer Strategie, die vernünftig ist.

derStandard.at: Sie sagen, es sei gut, dass Faymann nun mit klaren Positionen in den Parteitag geht, sich weiter herauslehnt und damit erkennbar wird. Gleichzeitig wird er aber auch daran gemessen werden, was er beim gemeinsamen Budget im Spätherbst dann durchsetzt.

Ecker: Natürlich, daran wird er gemessen werden. Aber es kann die ÖVP ja keine Budgetkonsolidierung machen, die über kleinere Sozialtransfers die Unterschichten trifft, keine Reformen in Bildung und Gesundheit beinhaltet und dafür Massensteuern einhebt. Das ist für die ÖVP ja ein 20-Prozent-Programm. Das kann sie ja nicht ernsthaft wollen. Auch die ÖVP muss bei dieser Gerechtigkeitsdiskussion in irgendeiner Form mittun. Auch "Österreich", "Krone" und "Heute" werden dann schwenken bei aller Begeisterung für die Kompetenz des Josef Pröll. Wenn sie dann ein paar hundert Leserbriefe am Tag kriegen, in denen steht "Schweinerei", wird auch der Herr Dichand die Blattlinie drehen.

derStandard.at: Es geht darum, öffentlichen Druck zu machen auf die ÖVP, weil die schwer sagen kann, sie sei die Anti-Gerechtigkeitspartei?

Ecker: Sehr simpel. Das ist ein bisschen der Zwei-Krawatten-Schmäh. Die ÖVP muss sagen, welche ihr nicht gefällt. Es ist ja nicht so, dass sich die ÖVP von diesem Sog isolieren kann. Die spüren ja auch die Stimmung in der Bevölkerung. Die ÖVP hat ja auch einen guten Wähleranteil an Kleingewerblern und Angestellten, die das auch sehen. Der Stimmung im Land kann sich die ÖVP nicht entziehen.

derStandard.at: Es heißt immer, viele qualifizierte Leute tun sich die Politik nicht mehr an: zuviel Arbeit, wenig Entlohnung, schlechtes Image. Über bleiben würden dann abgeschliffene Funktionäre. Was läuft falsch?

Ecker: Dort, wo Politik Spitzenleistungen bringt, ist sie schwer unterbezahlt. Das ist krank, und es ist demokratiepolitisch eine nicht unheikle Situation. Schauen Sie sich den Bundeskanzler an. Der hat vielleicht 6000 oder 7000 Euro netto nach Abzug der Klubsteuer für eine Siebentage-Woche, einen 14-Stunden-Tag und öffentliche Beschimpfungen. Nein, also ehrlich - der Raiffeisen-Filialleiter von Mistelbach-Süd bekommt dasselbe Gehalt. (Lukas Kapeller/derStandard.at, 10.6.2010)