Carlo Scarpa: Grabstätte "Brion", San Vito di Altivole, Detail

Foto: MAK

Der Architekt Carlo Scarpa ging wie ein Handwerker an seine Entwürfe heran. Das MAK zeigt Skizzen und Modelle, die er mit seinem Leibtischler Saverio Anfodillo erarbeitete .


Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das, was das Museum für angewandte Kunst (MAK) seit kurzem in der Ausstellung "Carlo Scarpa. Das Handwerk des Architekten" zeigt, einer untergegangenen Zeit angehört. Scarpa war einer der wichtigsten und originellsten Architekten des vergangenen Jahrhunderts, er arbeitete mit einer millimeterklaren Genauigkeit, von der die rasch aufgezogene, großvolumige Architektur von heute oft nur noch träumen kann. Und trotzdem ist Scarpa letztlich als einer der Avantgardisten jener Grenzgänger zwischen Design und Architektur anzusehen, die sich dieser Tage wieder in zunehmendem Maß um Präzision und Detail bemühen, also um die optimale Form auch kleiner Elemente, und das sinnvolle, elegante Aneinanderfügen verschiedener Materialien.

Vor drei Jahren erwarb das MAK das Archiv jener Kunsttischlerei, mit der Scarpa eine langjährige fruchtbare Zusammenarbeit verbunden hatte: In Saverio Anfodillo, dem Eigentümer einer traditionsreichen venezianischen Tischlerei, hatte der 1906 geborene Architekt einen perfekten Partner gefunden, mit dem er über dreißig Jahre lang zusammenarbeitete. Das Anfodillo-Archiv ist ein reicher Fundus an Modellen und Originalzeichnungen Scarpas - beide Hilfsmittel des Entwurfs waren dem Italiener stets wichtige Arbeitsinstrumente gewesen. Er selbst hatte behauptet: "Die Dinge zeigen sich mir bloß, wenn ich sie zeichne."

Vor allem das Spätwerk Scarpas wird durch das Anfodillo-Archiv genau dokumentiert. So ist denn auch in der MAK-Schau beispielsweise die Entwicklung der von Scarpa über einen Zeitraum von zehn Jahren gestalteten Grabstätte der Familie Brion bei Asolo anhand von Holzmodellen und vielfach mit Buntstift korrigierten, übermalten Skizzen zu betrachten. Die Zeichnungen sind in der Hauptsache Konstruktionsskizzen, an deren Techno-Ästhetik architektonische Außenseiter sich wohl ein wenig gewöhnen müssen. Umso interessanter sind sie für all jene, die sich für das kleinste Detail, von der Fuge bis zur Schraube interessieren.

Diverse Holzmodelle der Schau erinnern daran, wie penibel Scarpa die Raumwirkungen seiner Konstrukte erst studierte, bevor er sie später finalisierte und in Beton goss. Apropos Beton: Bevor der in die Form schwappen durfte, suchte der Italiener erst sorgfältig die Schalungshölzer nach der besten Maserung aus, sodass, wie etwa im Falle der Tomba Brion, der Sichtbeton quasi hölzernen Charakter erhielt.

Scarpa war ein vielfach interessierter Universalist, ein moderner Renaissancemensch. Er studierte die Architekturen Frank Lloyd Wrights mit dem gleichen Interesse, mit dem er sich fernöstlicher Kunst und Baukultur widmete, und setzte verschiedene Elemente wie etwa das asiatische Rundfenster auch in seinen Gebäuden ein. Während einer Studienreise nach Japan 1978 stürzte der Venezianer schwer und starb schließlich an den Folgen dieses Unfalls. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.4.2003)