Wien - Die Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla del Ponte, lanciere bewusst "nicht überprüfte Informationen" über den möglichen Aufenthaltsort des ehemaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic in Montenegro, um Druck auszuüben. Dies sagte der montenegrinische Innenminister Milan Filipovic am Mittwochabend in einem Gespräch mit der APA. "Wenn sie ihn wirklich verhaften wollen, dann sollen sie das ernsthaft tun und nicht Verstecken spielen."

Den Haag soll genauere Informationen liefern

Das UNO-Tribunal müsse den montenegrinischen Behörden nur konkret Bescheid sagen, wo sich der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Karadzic befinde und es würden sofort Maßnahmen zu dessen Festnahme ergriffen werden. Wenn notwendig, würden auch in Bosnien-Herzegowina stationierte internationale Soldaten zur Hilfe gerufen werden. Die Aussagen von Del Ponte, dass sich Karadzic hie und da in Montenegro im serbisch-orthodoxen Kloster Ostrog bei Niksic, wo die Mutter des ehemaligen Serbenführers lebt, aufhalte, seien aber "unzutreffend".

"Es gibt keine Bestätigung für diese Informationen. In dieses Kloster kann außerdem nicht ein mal ein kleines Vögelchen fliegen, ohne nicht bemerkt zu werden", sagte Filipovic. Und Karadzic sei definitiv nie in Montenegro gesichtet worden.

Bei ihrem letzten Besuch in Podgorica im März habe ihm Del Ponte erläutert, dass sie diese Informationen über das "Versteck" von Karadzic in Belgrad und Banja Luka erhalten habe. Er habe sich danach sofort mit den zuständigen Behörden in Serbien und der Republika Srpska bzw. mit seinen Amtskollegen in Verbindung gesetzt. Nach diesen Gesprächen sei klar gewesen, dass "kein Wort wahr ist". Selbst aus Bosnien-Herzegowina seien keine Tipps gekommen, obwohl es fünf Millionen Dollar (4,61 Mill. Euro) "Kopfgeld" für entscheidende Informationen über Karadzic gibt.

"Das ist doch kein Spiel"

Del Ponte habe Podgorica sogar mit Sanktionen gedroht, um damit den Druck noch weiter zu erhöhen. "Das ist doch kein Spiel bitte", ärgerte sich Filipovic. Natürlich sei es möglich gewesen, dass Karadzic während den Krisenzeiten die Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Montenegro überschritten habe. "Aber er ist von der Polizei nie gesehen worden."

Die Situation in Montenegro nach dem Mord am serbischen Premier Zoran Djindjic ("Symbol des demokratischen Serbien") bezeichnete der Innenminister als ruhig. Nach dieser Tat seien auch in Montenegro sofort Ermittlungen eingeleitet worden. Es gebe jedoch keine großen und mächtigen Gruppen der organisierten Kriminalität in Montenegro und "überhaupt keine Verbindungen" zur serbischen Mafia, betonte Filipovic. Verhaftungen - auch von Polizisten - habe es gegeben, aber die organisierte Kriminalität spiele in Montenegro bei weitem nicht jene Rolle wie in Serbien. Zigarettenschmuggel habe es schon gegeben. In Krisenzeiten "haben wir hier die Augen zugemacht". Das Entscheidende sei aber, dass in Montenegro keine "Kriegsprofiteure" gelebt hätten. (APA)