Die Technologie hat es ermöglicht, die meisten Träume der Menschheit zu realisieren: fliegen, durchs Weltall brausen, auf dem Mond spazieren, Energie nutzen, Krankheiten heilen, erdüberspannende Kommunikationsmittel etablieren, aber auch Waffen herstellen.

Technologie ist die technische Umsetzung und praktische Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Im Dienste der Menschheit. Paradoxerweise stellt man jedoch fest: Je komplexer die Umwelt dank der wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften wird, desto weniger werden diese verstanden und akzeptiert.

Um die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts objektiv über die Vor- und Nachteile der Technologie zu informieren, wurde in Frankreich am 12. 12. 2000 vom damaligen Forschungsminister Roger Gérard Schwarzenberg, also von der (sozialistischen) Regierung, die "Académie des technologies" gegründet. Sie entstand aus einer Gruppe von Forschern, die bereits ihren Sitz im Komitee für technologische Anwendungen der französischen Akademie der Wissenschaften hatte.

Der Vorstandsvorsitzende der Académie des technologies, der 63-jährige Jean-Claude Lehmann, ehemaliger Atomphysik-Forscher im staatlichen Elitebereich C.N.R.S. (Centre National de la Recherche Scientifique) und Universitätsprofessor, seit 1988 weltweit verantwortlich für die Forschung des weit verzweigten Industrieunternehmens Saint-Gobain (in erster Linie Glas- und Baumaterialienhersteller), gewährte dem STANDARD ein Gespräch über diese neue Institution.

Spitzenforscher

Das 19-köpfige Führungsgremium der Académie des technologies hat bis jetzt 122 (ehrenamtliche) Spitzenforscher aus diversen Bereichen der (angewandten) Wissenschaften, der Medizin, (Atom-)Energie, Umwelt, Bioethik, Psychosoziologie und auch Urbanistik ernannt, darunter die Kosmonautin und Ärztin Claudie Haigneré, die derzeit auch Forschungsministerin ist.

Von der Regierung subventioniert und durch Partnerschaften mit Industrie und Wirtschaft finanziell unabhängig, analysieren sie das Verhältnis der Technologie zur Gesellschaft und leiten eine globale Vision und Reflexion über Technologie in die Wege.

Gefahr aus Handys

Ein konkretes Beispiel ist etwa die Ausarbeitung eines sachlich fundierten Berichts über die potenzielle Gefahr von Handys beziehungsweise der dafür nötigen Antennen. Es geht um den Versuch nachzuweisen, dass es gefährlicher ist, stundenlang ein Satellitentelefon ans Ohr zu halten, als in der Nähe einer Dachantenne zu leben, deren gefahrenfreier Mindestabstand zehn Meter beträgt.

Die Akademie-Berichte, von Spezialisten in Kommissionen erstellt, werden zuerst der Regierung vorgelegt. Die Zielgruppen der praxisorientierten Académie des technologies sind: Parlamentarier und Lokalpolitiker, die konkrete Entscheidungen zu treffen haben, die Medien (mit denen die Kommunikation jedoch noch nicht wirklich etabliert wurde) sowie das breite Publikum, das Informationen im Internet abrufen kann.

Über die alle vierzehn Tage erfolgenden Treffen des Vorstandes hinaus findet auch ein regelmäßiger Austausch mit anderen europäischen Wissenschaftsakademien statt. Meistens im Rahmen der Europa überspannenden Organisation Euro-Case (European Council of Applied Sciences and Engineering), der auch die österreichische Akademie der Wissenschaften angehört.

Jean-Claude Lehmanns Credo: "Man muss verstehen, nicht ertragen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 4. 2003)