Noch weit gehend ungelöst sind die Fragen, wie die erweiterte EU funktionieren kann. Diese Aufgabe soll der EU-Konvent lösen, der seit über einem Jahr an einer Verfassung für Europa arbeitet. Konventspräsident Valéry Giscard d'Estaing wird die 15 EU-Staats- und -Regierungschefs vor der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags auf der Akropolis über den Stand der Arbeiten informieren.

Wobei die Informationen, die der Konventspräsident den Regierungschefs geben kann, kaum erschöpfend sind. Im Konvent wurde zwar Konsens über wichtige Grundsatzfragen wie die Festlegung auf die soziale Marktwirtschaft als europäisches Gesellschaftsmodell oder die Frage der eigenen Rechtspersönlichkeit der EU erzielt. Die entscheidenden Machtfragen sind offen. Vor allem die Frage der Einführung der qualifizierten Mehrheit, an der wiederum eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU hängt, ist noch längst nicht ausdiskutiert. Ebenso wenig wie die Institutionenfragen.

Kleine gegen Große

Dazu kommt, dass im Zuge der Auseinandersetzung um den Irakkrieg die Europaskeptiker an Einfluss gewonnen haben. Von ihnen wurden Ideen vorgetragen, die sogar hinter den bestehenden Rechtsbestand der EU zurückfallen würden. Unter den Integrationisten wiederum hat sich Resignation ob der langsamen Fortschritte breit gemacht. Eine Spaltung zeichnet sich auch zwischen den kleinen und den großen Staaten in der EU ab. Sechzehn Kleine haben sich im "Klub der Gleichgesinnten" zusammengeschlossen und wenden sich gegen die Installierung eines EU-Ratspräsidenten, den Deutschland und Frankreich favorisieren. Die "Zwerge"" werden sich ebenfalls heute im Vorfeld der Unterzeichnung des Erweiterungsvertrags treffen, um sich aufeinander abzustimmen.

Zu inhaltlichen Differenzen kommt der Zeitdruck. Bis spätestens Juni soll der Verfassungsentwurf vorliegen. Danach wird eine Regierungskonferenz darüber befinden, ob die EU eine Ansammlung ökonomisch gleichgeschalteter Staaten bleibt oder zur echten politischen Union wird. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 16.4.2003)