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Wegen Äußerungen über den mehr als kritischen Zustand des Staatshaushalts geriet die neue ungarische Regierung unter Premier Viktor Orbán (im Vordergrund bei einem Besuch in einer von Hochwasser betroffenen Stadt in Ostungarn) in der Vorwoche vom Regen in die Traufe. Die internationalen Finanzmärkte schickten den ungarischen Forint kurzfristig auf Talfahrt.

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Wien/Budapest - Der neue ungarische Premier Viktor Orbán hat am Dienstag im Budapester Parlament das mit Spannung erwartete Wirtschaftsprogramm seiner Regierung vorgestellt. In dem 29 Punkte umfassenden Katalog an Maßnahmen ist eine Mischung aus Steuersenkungen und neuen Abgaben vorgesehen. Für Ökonomen war am Dienstag noch unklar, ob das neue Paket nun netto Einsparungen oder höhere Abgaben für den Staat bedeuten wird.

  • Eingeführt wird in Ungarn eine Bankensteuer (die auch Versicherungen und Leasinggesellschaften) trifft. Orbán nannte keine Details, aber eine Summe: Er will 200 Milliarden Forint (rund 700 Mio. Euro) über die Steuer auf Bankenprofite einnehmen. Das wären immerhin 0,75 Prozent der ungarischen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: In Österreich will die Regierung 500 Millionen über eine Bankensteuer einnehmen. Die Sondersteuer für Finanzinstitute soll drei Jahre gelten.
  • Ungarn wird bereits ab 2011 für Personeneinkommen eine 16-prozentige Flat Tax einführen. Bisher galt ein Steuersatz von 17 Prozent und 32 Prozent. Profitieren werden davon die Besserverdiener, denn die Mehrzahl der Bevölkerung fiel schon bisher unter den 17-prozentigen Steuersatz. Orbán verwies in seiner Rede explizit auf Flat-Tax-Modelle der Nachbarstaaten (wie etwa Slowakei, Rumänien - dort gilt der Einheitssteuersatz auch für Unternehmen). Ungarn müsse seine Wettbewerbsnachteile aus den vergangenen Jahren wieder aufholen.
  • Orbán kündigte auch ein Verbot von Fremdwährungskrediten für Wohnfinanzierung an. Wann diese in Kraft treten soll sagte er nicht. Über 60 Prozent der Hypothekarkredite in Ungarn notieren derzeit in Fremdwährungen wie Schweizer Franken und Euro, bereits die Vorgängerregierung hat den Zugang zu Devisendarlehen erschwert - verboten waren sie aber bisher nicht.
  • Für Unternehmen, die jährlich weniger als 500 Millionen Forint Einkommen (rund 1,75 Millionen Euro) haben, gibt es kräftige Steuererleichterungen; der Steuersatz wird von derzeit 19 auf zehn Prozent gekürzt.
  • Daneben kündigte Orbán Schnitte im öffentlichen Dienst an. Bei Staatsbetrieben und öffentlichen Einrichtungen werden Löhne kräftig gekürzt - Ungarns Nationalbankchef dürfte 75 Prozent seines Einkommens verlieren.

Weiters werden Abfindungen die höher sind als zwei Monatsgehälter mit einem 98-prozentigem Steuersatz belegt, die Erbschaftssteuer wird für direkte Nachkommen abgeschafft. Den größten Applaus (und Gelächter) erntete der Premier mit seiner Ankündigung, selbst gebrannten Schnaps künftig nicht zu besteuern. "Sie mögen Lachen, aber Menschen haben für dieses Recht seit 90 Jahren gekämpft", sagte Orbán.

Streik in Spanien

Die zarten Pflanzen des Wachstums müssen derzeit überall in Europa gepflegt werden, vor allem auch in Spanien und Portugal. Dort könnten die harten Einschnitte aber schnell dafür sorgen, dass das Wachstum keine Wurzeln schlägt. Beide Länder haben erst im Mai weitere Sparpakete verabschiedet, um die Staatsschulden deutlich zu senken.

In Spanien soll das Defizit mit zusätzlichen Kürzungen von 15 Mrd. Euro heuer auf 9,3 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden - nach 11,2 Prozent 2009. Spaniens Schuldenquote soll durch ein Maßnahmenbündel um zwei Prozentpunkte auf 72,1 Prozent reduziert werden. Aus Protest gegen Gehaltskürzungen sind Angehörige des öffentlichen Dienstes in Spanien am Dienstag in den Streik getreten. Bereits Ende Mai haben die Spanier ihre Wirtschaftsprognosen gesenkt. Statt mit 1,8 wird die Wirtschaft 2011 demnach nur mit 1,3 Prozent wachsen.

Die Sparmaßnahmen in Portugal haben ein Volumen von zwei Mrd. Euro. Mit Steuererhöhungen und Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst soll die Schuldenquote bis 2013 auf 86,7 Prozent gedrückt werden. Im Vergleich zu Spanien scheinen die politischen Gefahren für die Regierung unter Ministerpräsidenten Jose Socrates gering zu sein. Socrates arbeitet mit der Opposition zusammen.

Skeptische Aussagen der Ratingagentur Fitch zur Bewältigung der britischen Haushaltsprobleme haben am Dienstag das Pfund Sterling belastet. Die Fitch-Analysten bezeichneten die Schwierigkeiten des britischen Haushalts als gewaltig. Das Pfund fiel auf 1,4412 Dollar von zuvor 1,4466 Dollar. Auch zum Euro gab das Pfund nach, sodass die eher schwache Gemeinschaftswährung auf 82,67 Pence von 82,36 Pence kletterte. (szi, Reuters, DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2010)