STANDARD: Als "einmaligen Kraftakt" bezeichnet die deutsche Regierung ihr Sparpaket. Zu Recht?

Holtemöller: Verglichen mit dem, was bisher passiert ist, ist es schon eine große Sache und eine Spar-Anstrengung. Aber es wird nicht ausreichen, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Man sieht eine Reihe von Positionen, die reine Verschiebebahnhöfe sind.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Holtemöller: Wenn man den Rentenzuschuss für Langzeitarbeitslose kürzt, muss man das an anderer Stelle zuschießen. Dann sind zwei Milliarden Euro an Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer geplant. Aber es ist ja gar nicht sicher, ob diese durchsetzbar ist. Niemand weiß zudem, wie die Bundeswehrreform genau aussehen wird. Es handelt sich eher um eine Wunschliste. Dieses Sparpaket reicht nicht für die Schuldenbremse. Man kann sie damit nicht einhalten.

STANDARD: Die Opposition kritisiert, das Paket sei unsozial, da viele Transferleistungen gekürzt werden. Ist dieses Sparpaket gerecht?

Holtemöller: Ganz klar ist: Man wird eine Konsolidierung nur dann hinbekommen, wenn man auch den Sozialetat angreift. Das ist schließlich der größte Posten im Budget der Bundesregierung. Einige der Proteste sind schon sehr reflexhaft. Schauen Sie das Elterngeld an: Diese Kürzung von 67 auf 65 Prozent der Lohnersatzleistung trifft ja nicht die Ärmsten. Auch bei den Einsparungen bei der Bundesagentur für Arbeit muss man sagen: Es gibt eine Reihe von Belegen dafür, dass diverse Maßnahmen einfach nichts bringen. Wir brauchen aber eine gemeinsame Anstrengung aller - auch derer, die soziale Transferleistungen beziehen.

STANDARD: Es war viel die Rede von Subventionskürzungen. Aber da passiert nicht viel, außer bei der Ökosteuer. Ist das ein Fehler?

Holtemöller: Auf jeden Fall hätte man gleich einmal die jüngste Subvention - die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf sieben Prozent für Hotels - einkassieren können. Die hat nun wirklich nichts mit Wachstumsbeschleunigung zu tun. Im Subventionsbereich gäbe es noch sehr viele kleine Kleckerpositionen, die sich aber auch addieren. Man denke an die steuerfreien Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, den Angestellten diese Zeiten finanziell zu kompensieren, nicht die der Steuerzahler. Klar, der Subventionsabbau geht nicht von heute auf morgen, aber man sollte endlich schrittweise beginnen, auch gegen den Widerstand der Lobbygruppen.

STANDARD: Auch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz hat die Regierung doch nicht angetastet. Ihr Argument: Das bringt in Summe ja doch nicht so viel an Einsparung.

Holtemöller: Das würde schon eine ganze Menge bringen, da gibt es ja verschiedene Berechnungen. Ich würde mich für eine Überprüfung der verschiedenen Mehrwertsteuersätze (sieben und 19 Prozent) aussprechen. Butter, die ich zum Beispiel kaufe, hat auch den niedrigen Satz. Ich könnte aber mehr bezahlen. Man könnte auch darüber nachdenken, die beiden Sätze auf niedrigerem Niveau als 19 Prozent komplett zu nivellieren. Wenn Lebensmittel teurer würden, müsste man zwar einen Ausgleich an sozial Bedürftige zahlen, aber man würde sich den ganzen Verwaltungsapparat zur Abrechnung der verschiedenen Sätze sparen. Der verursacht ja auch Kosten.

STANDARD: Als gute Nachricht verkauft die Bundesregierung die Botschaft: Wir schaffen das Sparpaket ohne Steuererhöhungen. Ist das der richtige Weg?

Holtemöller: Eine Konsolidierung auf der Ausgabenseite ist besser als eine Konsolidierung auf der Einnahmenseite. Denn die Erfahrung zeigt: Wenn man die Steuern erhöht, weckt man auch neue Begehrlichkeiten. In Deutschland sind die Steuersätze ohnehin nicht galaktisch niedrig. Ich möchte es nicht, aber ich befürchte, dass wir in einiger Zeit doch auch über Steuererhöhungen diskutieren werden. (Birgit Baumann, DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2010)