Nach nur etwas mehr als einer Woche im Amt hat sich die neue ungarische Mitte-rechts-Regierung den ersten groben Schnitzer geleistet. Spitzenvertreter der Fidesz von Premier Viktor Orbán faselten etwas von explodierenden Defiziten und versteckten Leichen im Keller des Budapester Finanzministeriums daher. Ungeschickter geht es kaum: Bankaktien und der Forint stürzten ab. Von den Leichen ist weiterhin keine Spur, stattdessen dürfte das in den vergangenen eineinhalb Jahren mühsam wiederaufgebaute Vertrauen der Investoren in Ungarn einen bleibenden Kratzer erlitten haben.

Mit seinem im Parlament vorgestellten Wirtschaftsprogramm weicht Orbán nun zusätzlich den rigiden Sparkurs seiner Vorgänger auf. Dagegen wäre nicht viel einzuwenden, täte er dies mit sozialpolitisch mehr Bedacht. Dass Ungarn nun eine Flat Tax bei Einkommen einführt, wird (fast) nur Großverdienern nützen. Senken wird Orbán auch Steuern für mittelständische Unternehmen. Um diese Pillen den Bürgern schmackhaft zu machen, gibt es eine Bankenabgabe und eine Steuerbefreiung fürs Schnapsbrennen.

So hat sich Ungarn in wenigen Wochen vom Musterknaben der Washingtoner Währungsfondspolitik zum Sorgenkind gewandelt. Es gilt das Wort des Eurogruppenchefs Jean-Claude Juncker: "Ich sehe überhaupt kein Problem mit Ungarn. Ich sehe nur das Problem, dass ungarische Politiker zu viel reden." (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2010)