Im Durchschnitt betreut die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung 5000 Personen jährlich

Foto: Eva Zelechowski

Die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, kurz "Dessi", steht seit 1992 Flüchtlingen in rechtlichen Fragen zur Seite und unterstützt sie im Prozess des Asylantrags. Warum kaum Anlass zum Feiern besteht, erzählt der Geschäftsführer der NGO Daniel B. im daStandard.at-Interview.

daStandard.at: Haben wir punkto Asyl- und Fremdenpolitik etwas zu feiern?

Daniel B.: Das ist schwierig. In Anbetracht der generellen Situation haben wir natürlich nichts zu feiern. Mit jeder Novelle des Asylgesetzes - und inzwischen erleben wir die 19. Novelle seit unserem Bestehen - werden die Bestimmungen weiter verschärft. Was wir allerdings zu feiern haben ist, dass wir es seit 18 Jahren schaffen unabhängige Rechtsberatung anzubieten und den KlientInnen helfen, ihre Rechte im Asylverfahren wahrzunehmen.

daStandard.at: Mit welchen Punkten haben die Antragssteller aufgrund der Novellierungen zu kämpfen?

Daniel B.: Zum einen wurde die Gebietsbeschränkung verschärft: Da sehr viele AsylwerberInnen in Traiskirchen untergebracht sind, dürfen sie den Bezirk Baden nur für die Wahrnehmung gesetzlicher Pflichten und für medizinische Versorgung verlassen. Allgemeine Rechtsberatung ist davon ausgeschlossen. Zum anderen können Obdachlosenheime nicht mehr als Postadresse angegeben werden. Obdachlose AsylwerberInnen sind an eine 14-tägige Meldungspflicht bei der Polizei gebunden, wo Bescheide direkt landen. Bei einem negativen Bescheid ist es dann möglich, dass die AsylwerberInnen gleich in Schubhaft genommen werden können. Uns sind auch Fälle bekannt, in denen Menschen auf Standesämtern bei der Heirat vom Fleck weg verhaftet wurden.

daStandard.at: Was hat sich in den vergangenen Jahren noch verschärft?

Daniel B.: Das größte Problem ist die Regelungswut, es geht darum möglichst jeden Einzelfall gesetzlich festzuschreiben. Das macht das Gesetz immer komplexer und unübersichtlicher. Bis zum Jahr 1991 hat das Asylgesetz aus drei Paragraphen bestanden, das im Fremdengesetz inkludiert war. Seitdem wird die Asyl- und Flüchtlingspolitik konstant verschärft. Im Wesentlichen besteht der Wunsch alles viel genauer zu regeln und zu kontrollieren, was in weiterer Folge stark ins Alltagsleben der Asylwerber eingreift.

daStandard.at: Welche Erfolge verbuchen Sie in Ihrer Arbeit und mit welchen Hindernissen werden Sie konfrontiert?

Daniel B.: Der Großteil unserer Tätigkeit, bestimmt 95 Prozent, beruht auf Einzelfällen. Es ist wenig kontinuierliches Arbeiten möglich, weil die Situation bei jedem Klienten neu ist und man wieder am Anfang beginnt. Wir bieten den Flüchtlingen Rechtsberatung, klären sie über ihre Möglichkeiten und Rechte auf, stellen mit ihnen einen Asylantrag, Erfolge verbuchen wir aber sehr wenige. Schwierig wird es schließlich, wenn das Verfahren zu Ende ist, der Klient den negativen Asylbescheid in den Händen hält und vor der Ausweisung steht.

daStandard.at: Wie oft kommt es vor, dass die AsylwerberInnen einen zweiten Antrag stellen?

Daniel B.: Die meisten stellen einen zweiten Antrag, aber rechtlich gesehen macht es keinen Sinn. Ausnahmen stellen beispielsweise politische Flüchtlinge dar, die in ihrem Heimatland gegen das Regime gekämpft und in Österreich ihre politischen Aktivitäten fortgesetzt haben. Hier besteht die Chance auf einen positiven Bescheid, weil sich die Gefahr für den Flüchtling im Herkunftsland erhöht hat. Im Asylverfahren konzentriert man sich aber weniger auf die Vergangenheit, wesentlich ist die Zukunftsprognose, was also mit der Person nach einer Rückkehr ins Herkunftsland geschehen würde.

daStandard.at: Ist das nicht grotesk, dass in Anbetracht der zunehmend eskalierenden Umstände in vielen Auswanderungsländern in Österreich eine zunehmend restriktive Asylpolitik entsteht?

Daniel B.: Natürlich, aber nicht nur die Gesetze haben sich massiv verschärft. Vor allem hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten das öffentliche Bild von Flüchtlingen total gewandelt: Fluchthelfer wurden zu „Schleppern". Auch die lange Wartezeit ist eine enorme Belastung für die AsylwerberInnen. Wenn Menschen nicht wissen, ob ihnen eine Ausweisung aus Österreich droht und ihre komplette Existenz in Frage steht, dann ist es auch um die Motivation zur Integration wie zum Erlernen der deutschen Sprache schlecht bestellt. (Eva Zelechowski, daStandard.at, 8.6.2010)