Gratis Bücher nehmen und geben - was sich in Wien-Neubau zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt hat, soll nun in Ottakring seine Fortsetzung finden.

Grafik: www.offener-buecherschrank.at/Frank Gassner

"Eine interessante architektonische Lösung" verspricht Initiator Frank Gassner für den Standort Grundsteingasse/Ecke Brunnengasse. Wie diese konkret aussieht, wird erst bei der Eröffnung am Samstag, 12. Juni, zu sehen sein.

Foto: www.offener-buecherschrank.at

Wien - "Zwei Architekten und ein Künstler haben sich ausgetobt, und so schaut der neue Bücherschrank auch aus." Nicht nur in ästhetischer Hinsicht verspricht Frank Gassner für den nächsten "Offenen Bücherschrank", der am Samstag, 12. Juni, am Brunnenmarkt eröffnet, einige Neuerungen. Das von ihm initiierte kostenlose Geben und Nehmen von Büchern mittels eines unversperrten Schranks an der Ecke Westbahnstraße/Zieglergasse in Wien-Neubau hat sich seit dem Start im Februar zu einer regelrechten Erfolgsgeschichte entwickelt. Rechtzeitig zum Auftakt eines Kunst-Events in der Grundsteingasse bekommt nun auch Ottakring in einem seiner buntesten Viertel eine Anlaufstelle für BücherfreundInnen, die bewusst auf Mehrsprachigkeit setzen will.

Mit Büchern befüllbare Skulptur

Als Abkehr von den "Schrank-Assoziationen" und stattdessen als "raumgreifendes Objekt" hat Irene Prieler vom Architekturbüro grundstein den neuen Büchertauschplatz zusammen mit ihrem Kollegen Michael Wildmann und Initiator Gassner geplant. Das von drei Seiten zugängliche Stadtmöbel, bei dem "die Grenzen zwischen Skulptur, Objekt und Funktion fließend sind", soll den NutzerInnen aber auch praktische Vorteile bieten: Während sich beim Bücherschrank in Wien-Neubau ob seiner Beliebtheit mitunter kleine Schlangen bilden, können in Ottakring künftig mehr als nur zwei Interessierte gleichzeitig in den Büchern stöbern.

Hinsichtlich der anzufindenden literarische Kost soll die Vielfalt noch größer werden: "Es liegt nahe, an einem Standort wie dem Brunnenmarkt auch vermehrt auf fremdsprachige Literatur zu setzen", so Gassner gegenüber derStandard.at. Wer bereits jetzt - speziell auch nicht deutschsprachige - Titel für das Projekt spenden will, kann die Bücher im  "Caritas markt_platz" am Yppenplatz abgegeben.

Gefahr Vandalismus

Gesucht sind auch noch PatInnen, die regelmäßig ein Auge auf das neue Büchermöbel werfen, die Flyer nachfüllen und Bücher mit Aufklebern versehen, die diese dem kommerziellen Warenkreislauf entziehen. Größere Befürchtungen wegen mutwilligem Vandalismus hat Gassner für den neuen Standort am Brunnenmarkt nicht. Allerdings müsse man rechnen, dass auch der "normale Trubel am Markt" die Bücherskulptur in Mitleidenschaft ziehen könne.

Die Erfahrungen mit dem ersten Offenen Bücherschrank in Wien-Neubau sind fast ausschließlich positiv. Der einzige bisherige "Vandalen-Akt" sei ein Aufkleber am Schrank gewesen. Und ein älterer Herr, der laut Gassner "ein bisschen sehr viele Bücher mitgenommen hat", unterlässt dies seit er auf sein Verhalten angesprochen wurde.

Schleppende Finanzierung für weitere Standorte

Zwar zeigen sich auch andere Bezirke von Gassners "Offenem Bücherschrank" angetan, spätestens bei der Finanzierung hapert es aber. Dass das Projekt am Brunnenmarkt in der Rekordzeit von drei Wochen umgesetzt werden konnte, verdankt sich dem Umstand, dass dafür ein privates Grundstück der Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft Eigentum zur Verfügung gestellt wurde und Gassner, Prieler und Wildmann für die Finanzierung in die eigenen Taschen gegriffen haben. Eine Vorgangsweise, von der Gassner, der die Kosten für einen "Offenen Bücherschrank" inklusive Arbeitskosten mit rund 5.000 Euro beziffert, in Zukunft Abstand nehmen will.

Bereits im April dieses Jahres hat die Bezirksvertretung Alsergrund beschlossen, auf dem neu gestalteten Heinz Heger Park einen Bücherschrank von Gassner errichten zu lassen. Ein weiterer Schrank ist in Mariahilf in Kooperation mit Gebietsbetreuung und Bezirksvertretung an der Ecke Gumpendorferstrasse/Otto Bauer Gasse geplant. In beiden Fällen ist die entscheidende Frage nach der Finanzierung nach wie vor in Schwebe. Gassner: "Warum sich das so lange hinzieht, ist mir schleierhaft." (Karl Gedlicka, derStandard.at, 8. Juni 2010)