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Ein Demonstrant fordert den neuen Premier Naoto Kan zum Kurswechsel bezüglich der Okinawa-Basis auf.

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Kein Kurswechsel in der Außen- und Wirtschaftspolitik erwartet.

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Tokio - In Japan ist der bisherige Finanzminister Naoto Kan am Freitag zum neuen Regierungschef gewählt worden. Der 63-Jährige steht vor der Aufgabe, das immense Haushaltsdefizit der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft in den Griff zu bekommen und das Wirtschaftswachstum in einer alternden Gesellschaft voranzubringen.

Kans Vorgänger Yukio Hatoyama war am Mittwoch zurückgetreten, nachdem seine Umfragewerte wegen Zweifeln an seiner Führungsstärke in den Keller gerutscht waren. Kan soll seiner regierenden Demokratischen Partei bei der für kommenden Monat geplanten wichtigen Oberhauswahl zum Sieg verhelfen.

Gewaltige Aufgaben

Auf Kan warten gewaltige Aufgaben: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ächzt unter einer hohen öffentlichen Verschuldung; weitere Probleme sind das geringe Wirtschaftswachstum und eine alternde Bevölkerung. Fast sicher ist, dass China das Land noch in diesem Jahr als zweitgrößte Wirtschaftsmacht ablösen wird. Auch um die politische Stabilität steht es in Japan nicht gut: Der 63-Jährige ist der sechste japanische Ministerpräsident in nur vier Jahren.

Die Demokratische Partei (DPJ) wählte Kan zunächst zum Parteichef und später mit ihrer Mehrheit im Unterhaus zum Ministerpräsidenten. "Mit Euch allen werde ich als erstes einen entschlossenen politischen Kurs und Pläne zur Erneuerung Japans aufstellen", sagte Kan nach seiner Wahl und reckte entschlossen eine Faust in die Luft.

Bereits zuvor hatte er angekündigt, an der geplanten Steuerreform festzuhalten, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft mit einer Wachstumsstrategie zu stärken. Er war auch an den Finanzmärkten favorisiert worden, die in seiner Ernennung eine Chance sehen, die Schuldenbekämpfung voranzubringen. Japan ist der am stärksten verschuldete Industriestaat: Das Haushaltdefizit liegt bei etwa 200 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Haushaltsplanung

Der plötzliche Rücktritt Hatoyamas hatte bei Investoren Besorgnis ausgelöst, dass die künftige Regierung den eingeschlagenen Kurs zum Schuldenabbau nicht fortsetzen würde. Die Demokraten waren vor acht Monaten auch mit den Zielen angetreten, die Binnennachfrage durch mehr Bargeld anzukurbeln und den Einfluss der Bürokraten auf die Politik zu begrenzen.

"Wenn Hatoyama geblieben wäre, wäre die politische Situation chaotisch geworden", sagte Hiroyuki Nakai von Tokai Tokyo Research. "Aber mit Kan schwindet die Wahrnehmung einer Stagnation von Politik und Wirtschaft ein wenig, auch wenn jetzt viel von dem neuen Kabinett abhängt."

Die Zeitung "Yomiuri" berichtete, als neuer Finanzminister werde der bisherige Finanzstaatssekretär Yoshihiko Noda gehandelt. Noda gilt als Garant für eine strenge Haushaltsdisziplin. Auf dem Schuldverschreibungsmarkt würde seine Nominierung begrüßt werden, weil er die Ausgabe neuer Staatsanleihen im kommenden Jahr begrenzen will.

Der neue Regierungschef Kan hatte in seiner Zeit als Finanzminister wiederholt die Zentralbank kritisiert und mehr Anstrengungen zur Bekämpfung der Deflation angemahnt. Als einer von wenigen Ministern sprach er sich für eine Erhöhung der Umsatzsteuer aus. Dieser Schritt wird von Volkswirten als unerlässlich für die Finanzierung des Sozialsystems in einer alternden Gesellschaft gesehen. Zudem hatte Kan erklärt, an Japans Ziel zur Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um ein Viertel gegenüber dem Niveau von 1990 festzuhalten.

Entschlossen und direkt

Kan gilt Beobachtern in einigen Punkten als das Gegenteil Hatoyamas, weil er entschlossen und direkt auftritt. Einige bezeichnen ihn auch als Populisten. Außerdem stammt der neue Regierungschef aus der Mittelschicht, womit er sich von vielen seiner Vorgänger unterscheidet, die bereits in die Elite des Landes hineingeboren wurden.

Beliebtheit erlangte Kan 1996 als Gesundheitsminister, weil er aufdeckte, dass die Regierung zuvor versucht hatte, einen Skandal um HIV-verseuchtes Blut zu vertuschen. Im gleichen Jahr war Kan einer der Protagonisten des Zusammenschlusses mehrerer kleinerer Parteien zur heutigen Regierungspartei DPJ.

Den Spitznamen "reizbarer Kan" bekam der Politiker wegen seiner gelegentlich aufbrausenden Art. Außenpolitisch bestärkte Kan die enge Bindung an die USA, die er als unerlässlich bezeichnete. Er betonte aber auch die Bedeutung der Beziehung zu den Nachbarn in der Region. (APA/dpa)