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Rad fährt quasi allein: Cancellaras Ankunft in Roubaix.

Foto: EPA/Waem

Zürich/Wien - Glaubt man den Gerüchten, dann ist Doping, sind Epo, Wachstumshormone, Blutwäschen et cetera zumindest im Profiradsport Geschichte. Der kluge, körperbewusste Profi setzt demnach bei seinem edlen Sportgerät an. Motor-Doping heiße das Zauberwort.

Im Internet kursiert seit einiger Zeit ein Filmchen, das die Galavorstellungen von Zeitfahrweltmeister Fabian Cancellara bei der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix im April dieses Jahres in einem anderen Licht erscheinen lassen. Ein kleiner, im Sattelrohr seiner Maschine versteckter Hilfsmotor soll dem Schweizer die Klassiker-Triumphe ermöglicht haben. Der Tiroler Maschinenbauer Gruber hatte einen ähnlichen Zusatzantrieb 2007 für Mountainbikes auf den Markt gebracht. Zusätzlich 60 bis 100 Watt Leistung bringt der geheime Turbo nach Expertenmeinung.

"TGV aus Ittingen" wird Cancellara genannt. Ein Video auf Youtube zeigt, wie er bei der Flandern-Rundfahrt und bei Paris-Roubaix immer dann die Konkurrenz alt aussehen lässt, wenn er zuvor mit der rechten Hand verdächtig am Lenker entlang gerutscht ist. Um einen Motor zu aktivieren?

"So ein Schwachsinn"

Der 29-jährige Olympiasieger von Peking, dem auch schon herkömmliches Doping nachgesagt wurde, der aber nie erwischt wurde und daher als völlig sauber zu gelten hat, reagierte natürlich empört auf die Gerüchte: "Das ist so ein Schwachsinn. Ich bin geradezu sprachlos. Meine Siege sind das Ergebnis sehr harter Arbeit. Ich hatte noch nie Batterien in meinem Rad."

Der italienische Ex-Profi Davide Cassani, der im Video quasi als Aufdecker fungiert, hält es für durchaus möglich, dass derartige Räder zum Einsatz kommen. "Mit so einem Rad gewinne ich mit 50 Jahren noch eine Giro-Etappe" , sagt der 49-Jährige. "Damit lassen sich problemlos Geschwindigkeiten von 50 km/h fahren." Tatsächlich ritt Cancellara laut Video bei Paris-Roubaix eine Attacke aus einer 47,3 km/h schnellen Gruppe heraus mit mehr als 58 km/h. Ein zweimaliger Radwechsel bei der Flandern-Rundfahrt wird als verdächtig dargestellt.

Der Radsportweltverband (UCI) nimmt die neue Bedrohung jedenfalls sehr ernst. Man beobachte die Angelegenheit sehr aufmerksam, versicherte UCI-Sprecher Enrico Carpani: "Wir haben aber keine Kenntnis davon, dass derartige Produkte im Umlauf sind." Untersuchungen gegen Cancellara gebe es nicht, nachweisbar wäre ein derartiger Betrug im Nachhinein ohnehin nicht mehr. UCI-Technikchef Jean Wauthier hält die Geschichte für frei erfunden. "Das Risiko wäre zu groß - für ihn, für das Team und den Radhersteller." Gleichwohl arbeitet die UCI an einem Scanner, der eine derartige Maschine aufspüren kann.

Konkurrenz merkt auf

Die Konkurrenz ist nur zu gerne bereit, an diese neue Dimension des Sportbetrugs zu glauben. "Das muss untersucht werden" , sagt Quick-Step-Teamchef Patrick Lefevere, dessen flottester Schützling, der Belgier Tom Boonen, sich bei der Flandern-Rundfahrt mit Rang zwei hinter Cancellara hatte bescheiden müssen. "Ich bin vorsichtig, nachdem ich das Video gesehen habe. Wenn wir uns vorstellen, dass es wahr ist, wäre das Betrug. Das wäre schlimmer als Drogen" , sagte Lefevere. Er könnte sich auskennen, ist Lefevere doch stets von Dopinggerüchten umweht gewesen. (sid, lü)