Foto: ultimo mondo

"Am Mexiko-Platz geht wieder der Wind und der Regen fegt. Ich knipse Unterhosen-Großfamilienpackungen und zwischen chinesischen DämonInnen verloren herumhängende Weihnachtsgirlanden. Ich suche ein georgisches Lokal, das niemand kennt, obschon die mir Entgegenkommenden immer georgischer ausschauen. Große, starke Männer mit einem tatkräftigen, düster angehauchten Blick. Ich habe keine Ahnung, wo sich die georgische Mafia aufhält...", macht sich Michèle Thoma in der Geschichte mit dem gleichnamigen Titel "Wie ich die georgische Mafia suchte..." auf die Reise durch Europa.

Dass dieses Europa zumeist mitten in Wien liegt - in Hinterhöfen, Voruteilen, Kirchen und Kebabs, in Kunst und Kultur, bei Talismännern und Hurenkindern - macht diese kleinen Trips, die sie in insgesamt 47 Kurzgeschichten beschreibt, nur noch spannender.

Michèle Thomas Alltagsgeschichten, die auf den ersten Blick so alltäglich nicht sind, zeichnen sich durch scharfe Beobachtungsgabe aus und die Fähigkeit, das Gesehene in reduzierter, geballter Form wieder zu geben. Es hat den Anschein, als diene die Kürze  der - sich durch alle Seiten ziehenden - Würze namens Realsatire. Dazu tragen die Dialoge quasi in Reinform bei. Da gibt es kein unnötiges Herumgeforme. Sarkastisch, sehr witzig, kritisch, keinesfalls anbiedernd. Empfehlenswert!
(Dagmar Buchta/dieStandard, 07.06.2010)