Schon vor dem Zusammenstoß habe sich über der Gaza-Flotte etwas zusammengebraut, berichtete der Österreicher Leo Gabriel am Montag dem Standard telefonisch aus der südisraelischen Hafenstadt Ashdod. Kurz vor der Abfahrt von Zypern war bei zwei Booten die Hydraulik ausgefallen, die Organisatoren äußerten Sabotageverdacht. Am Sonntagabend kursierten unter Berichterstattern, die in Ashdod auf die Friedensaktivisten warteten, Meldungen über den Einsatz mehrerer, mit Raketen bewaffneter israelischer Kriegsschiffe.

Bei der Einnahme des Schiffes Mavi Marmara hätten die israelischen Soldaten geschossen, um einer "Lynchjustiz" der Gaza-Aktivisten zu entgehen, sagte eine Armeesprecherin am Montag den zweifelnden Berichterstattern in Ashdod. Israel hatte angeboten, die Hilfslieferungen für Gaza dort entgegenzunehmen, was aber abgelehnt wurde. Als die Sprecherin mit dem Vergleich konfrontiert wurde, das sei so, als ob man einem Patenonkel Geschenke für ein Kind aus der Hand schlage, sprach sie von einer "Propagandaaktion von Hamas-Anhängern" .

Die Aktivisten seien keineswegs lauter Hamas-Sympathisanten, so Gabriel. Die Gruppe hätte stets die Gewaltfreiheit ihrer Aktion betont, berichtet Gabriel, ausgebildeter Anthropologe und Kandidat der Linken für die EU-Wahl 2004, der seit Jahren mit der Gaza-Problematik befasst ist, sonst wäre man ja "den Israelis ins offene Messer gelaufen" . Die Vermutung, dass es die Aktivisten auf eine "politische Involvierung" abgesehen haben könnten, bestätigt Gabriel indirekt: Die Stellungnahme der EU-Außenministerin Catherine Ashton, die die Abriegelung des Gazastreifens als "inakzeptabel" bezeichnete, nahmen die Aktivisten "sehr positiv" auf. (est/DER STANDARD, Printausgabe, 1.6.2010)