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Kein Treffer für Rooney & Co, trotzdem zwei Tore

Foto: AP/Punz

Graz/Irdning – Die englischen Fans, gut 2000 der rund 15.000 Zuschauer in der ausverkauften UPC-Arena, sorgten mit Pauken und Trompeten für Stimmung, baten Gott immer wieder, die Königin zu schützen. Doch die Hetz hatten zunächst die laustärkemäßig nicht so starken Japaner auf den Rängen. Marcus Tanaka, genannt Tulio, der als Sohn eines Japaners und einer Italienerin vor rund 29 Jahren in São Paulo auf die Welt gekommen ist, netzt in der 7. Minute zum 1:0. Tanaka verteidigt im Tagesgeschäft für die Urawa Red Diamonds. Nach der Pause fährt bei einem Freistoß von Frank Lampard aus unerfindlichen Gründen eine Hand aus der im Strafraum befindlichen Mauer Japans. Lampard verschießt den Elfer (56.). Tanaka passiert nach einer Flanke von Joe Cole der Ausgleich (72.). Schlusspunkt: Japans Yuji Nakazawa nützt eine Flanke von Ashley Cole zur Niederlage (83). Japan in Schusslaune und ein glücklicher Sieg für England.

In Irdning hingegen, wo sich die Engländer seit 17. Mai auf Südafrika einstimmen, ist nahezu alles geheim geblieben. Nur rund zwei Stunden freilich blieb geheim, was Englands Kapitän Rio Ferdinand und Teamchef Fabio Capello am Samstag zu erzählen hatten in der Tennishalle des Schloss-Hotels Pichlarn ob Irdning. Schließlich wurde jeder Journalist darauf hingewiesen, die Worte erst nach drei Uhr am Nachmittag der Welt zugänglich zu machen.

"Ich will den englischen Spirit sehen" , sagte also Capello, zu den Erwartungen bei der WM-Endrunde befragt. Und der Geist in Wayne Rooney und Kollegen möge daür sorgen, dass man das Finale schmücke und gewinne. Die Engländer haben noch nie ein WM-Finale verloren. Das einzige, welches sie erreichten, 1966 bei der Heim-WM, gewannen sie gegen Deutschland.

Herr Ferdinand, Verteidiger bei Manchester United, gab sich frohen Mutes. Zu diesem Mut habe das Trainingscamp in der Steiermark, das nur vor einer Woche kurz unterbrochen wurde, um in Wembley Mexiko mit 3:1 zu schlagen, beigetragen. Und natürlich Herr Capello, der jedem einzelnen Kicker das Gefühl vermittle, unheimlich wichtig zu sein. Unheimlich wichtig für England, meinte Ferdinand, wäre der Titel.

Fragen über Fragen

In der Pause zwischen Ferdinands Abgang vom Rednerpult und Capellos Erscheinen interviewte man sich halt gegenseitig, auf dass die Zeit vergehe. Dem norwegischen Kollegen, der wissen wollte, ob die Irdninger jetzt kopfstehen, weil der englische Kickeradel leibhaftig unter ihnen weile, antwortete man schlicht mit Nein. Schließlich sind die Irdninger Routiniers im Besucht-werden von großen Fußballern.

Auch Capello war ja schon da gewesen, sowohl mit Roma als auch mit Real Madrid, und seine Teams nahmen jeweils so viel Kraft mit vom Fußballplatz am Fuße des Grimming, dass sie daheim ihre Meisterschaften gewonnen haben. Im Juli kommt Schalke, und Capello, der in Italien auch den AC Milan und Juventus gecoacht hatte, betonte, derzeit keinen Gedanken an Inter Mailand zu verschwenden. Denn dort, beim Champions-League-Sieger, ist er der Wunschnachfolger für den zu Real Madrid weitergezogenen Portugiesen José Mourinho. Capello schloss aber einen Wechsel nach der WM nicht aus. Schließlich habe die Football Association einen neuen Präsidenten, mit dem er noch nicht gesprochen habe. Abgesehen davon verglich er die Japaner mit den Brasilianern.

Zum eventuellen Kopfstehen der Irdninger ist auch zu bemerken, dass sich die englischen Teamspieler nicht wirklich unters Volk mischten, sie verbrachten ihre Tage abgeschirmt im SchlossHotel und auf dem Fußballplatz. Der Bus, der sie hin und her verfrachtete, entließ seine millionenschwere Fracht immer erst, nachdem er umzäunt worden war. Irdninger Kindern, routiniert im Autogrammergattern, ist dies auch diesmal gelungen. Ein Maschendrahtzaun ist da kein Hindernis.

Die Trainings waren geheim. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich die Engländer das eine oder andere Mal mit dem Schießen und Halten von Elfmetern beschäftigt haben. Schließlich ist es eine geradezu typische Eigenschaft englischer Nationalmannschaften, bei Welt- oder Europameisterschaften heldenhaft im Elferschießen zu scheitern. Bei der WM 2006 in Deutschland verloren sie auf diese Art im Viertelfinale gegen Portugal, 1998 in Frankreich im Achtelfinale gegen Argentinien, 1990 in Italien im Halbfinale gegen Deutschland. Daheim in England wird mächtig Druck gemacht. Denn noch amtiert ja die Schmach, die EURO 2008 verpasst zu haben.

In Südafrika spielt England in einer Gruppe mit den USA, Algerien und Slowenien. Japan bekommt es mit Holland, Dänemark und Kamerun zu tun. (Benno Zelsacher, DER STANDARD Printausgabe, 31.5.2010)