Jedes Land, egal, ob arm oder reich, sollte eine medizinische Grundversorgung anbieten. Jedes Jahr sterben fast neun Millionen Kinder an vermeidbaren oder behandelbaren Krankheiten.

Fast alle diese Todesfälle ereignen sich in den ärmsten Ländern der Welt. Dabei kostet die Basisversorgung pro Person in den ärmsten Regionen etwa 54 Dollar pro Jahr. Aufgrund ihrer niedrigen Einkommen können die Ärmsten nur etwa 14 Dollar pro Person aus ihren Budgets dafür aufwenden. Es bedarf daher finanzieller Hilfe, um die restlichen etwa 40 Dollar pro Person und Jahr aufzubringen. Da ungefähr eine Milliarde Menschen noch immer keine medizinische Grundversorgung haben, beträgt die jährlich notwendige Gesamtsumme rund 40 Mrd. Dollar.

Ausländische Geber wie die USA oder die EU stellen knapp ein Drittel, 14 Mrd. Dollar, jährlich zur Verfügung. Die Lücke beträgt also rund 26 Mrd. Dollar. Mit diesem Geld könnte man jedes Jahr das Leben von Millionen Müttern und Kindern retten. Das ist für reiche Länder keine große Summe, trotzdem gelingt es ihnen nicht, das Geld aufzubringen.

Zunächst könnten die USA ihren kostspieligen und gescheiterten Krieg in Afghanistan beenden, der jährlich rund 100 Mrd. Dollar verschlingt. Gäben die USA einen Bruchteil dieses Geldes für Entwicklungshilfe in Afghanistan, wären sie weit erfolgreicher bei der Herstellung von Frieden und Stabilität in diesem vom Krieg verwüsteten Land. Die USA könnten jährlich etwa 25 Mrd. Dollar für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen und weitere 25 Mrd. für weltweite Gesundheitsversorgung. Damit würden sie noch 50 Mrd. Dollar sparen. Zweitens sollten große Banken besteuert werden, die mit ihren spekulativen Geschäften exorbitante Gewinne erwirtschaften. Es ist Zeit für eine internationale Steuer auf Bankengewinne, die jährlich zweistellige Milliardenbeträge einbrächte.

Eine dritte Möglichkeit wäre, vermehrte Zuwendungen von den reichsten Menschen der Welt zu erhalten. Der jüngsten Forbes-Liste zufolge gibt es auf der Welt 1011 Milliardäre, die gemeinsam über 3,5 Billionen Dollar verfügen. Wenn jeder Milliardär 0,7 Prozent dieses Vermögens zur Verfügung stellte, würde sich die Gesamtsumme auf 25 Milliarden Dollar jährlich belaufen. 1000 Menschen könnten eine medizinische Grundversorgung für eine Milliarde arme Menschen finanzieren.

Eine vierte Möglichkeit ist, sich Firmen wie Exxon-Mobil anzusehen. Dieses Unternehmen verdient in Afrika jährlich Milliarden Dollar, aber laut einem Online-Bericht des Konzerns gab man zwischen 2000 und 2007 lediglich etwa fünf Millionen Dollar jährlich für Malaria-Kontrollprogramme in Afrika aus. Exxon-Mobil könnte und sollte viel mehr Geld für die dringend benötigte medizinische Grundversorgung des Kontinents zur Verfügung stellen. Fünftens haben neue Geberländer wie Brasilien, China, Indien und Korea genügend Vision, Energie, wirtschaftliche Dynamik und diplomatisches Interesse, um ihre Unterstützung für die ärmsten Länder sowie auch für die ärmsten Gegenden in ihren eigenen Ländern auszuweiten. Die reichen Länder sagen, es fehle ihnen an den Mitteln, um mehr zu tun. Tatsächlich aber fehlt es an Fantasie. (©Project Syndicate, 2010. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.5.2010)