Sankt Petersburg / Wien - Ein mutierter Pilz droht sich über mehrere Kontinente auszubreiten und Weizenernten zu gefährden. Er wurde zuerst in Afrika identifiziert und Ug99 genannt, eine Variante des gefürchteten Getreiderosts. Das von ihm befallene Getreide knickt um, in kürzester Zeit sind ganze Felder vernichtet, weil der Pilz sich über Wind verbreitet. Er hat Ug99 mittlerweile bis in den Jemen und den Iran getrieben.

Die düstere Prognose über eine weitere Ausbreitung gab die Borlaug Global Rust Initiative (BGRI) im Vorfeld der 8. Internationalen Weizenkonferenz bekannt, die nächste Woche in Sankt Petersburg stattfinden wird. Die BGRI zählt neben dem ansässigen N.-I.-Vavilov-Forschungsinstitut zu den Veranstaltern der Tagung und ist seit Langem vielfach mit der Bedrohung durch Pilze befasst.

Grüne Revolution

Norman E. Berlaug (1914-2009), nach dem die Initiative umbenannt wurde, gilt als Vater der grünen Revolution. Er forschte erfolgreich über und propagierte resistentes Getreide, das sehr hohe Erträge ermöglichte. In Mexiko arbeitete er viele Jahre für das Getreideverbesserungszentrum Cimmyt (ein weiterer Veranstalter der Petersburger Tagung). Für seinen Beitrag gegen Hungersnöte bekam er 1970 den Friedensnobelpreis.

Kritiker von Borlaugs Tätigkeit weisen auf die negativen Effekte der Monokulturen hin und darauf, dass die grüne Revolution die Biodiversität reduziere, den erhöhten Einsatz von Pestiziden und Herbiziden erfordere und dem Agro-Business hohe Profite bringe.

Insbesondere verweisen die Skeptiker auf die erhöhte Anfälligkeit des Getreides gegenüber mutierten Krankheitserregern. Inwieweit ein direkter Zusammenhang zwischen Monokulturen und Befall durch Ug99 besteht, ist wegen der Komplexität der Materie schwer festzustellen. In der Charta des BGRI steht jedenfalls "die Bildung eines nachhaltigen internationalen Systems zur Eindämmung der Gefahr von Weizenrost" an erster Stelle, gemeinsam allerdings mit der Forderung nach Produktivitätserhöhung.

Der Forscher Arun Kumar Yoshi vom Cimmyt warnt jedenfalls davor, dass sich Ug99 "in weizenproduzierenden Regionen in Afrika und Asien auszubreiten droht" und global Schaden anrichten könne. "Die Bedrohung" , sagt Joshi, "ist in Südasien besonders akut, weil dort 20 Prozent der Weltweizenproduktion für 1,4 Milliarden Menschen hergestellt werden." Weizen mache 30 Prozent der Getreideproduktion aus und liefere laut Statistiken der Borlaug Global Rust Initiative 20 Prozent der Kalorien, welche die Menschen täglich zu sich nehmen. (APA, mf/DER STANDARD, Printausgabe, 29./30. 5. 2010)