Eine Stadt als Hauptdarstellerin: "Wien im Film - Stadtbilder aus 100 Jahren" nennt sich die jüngste Ausstellung des Wien Museums, zu sehen von 27. Mai bis 19. September.
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Film Noir am Westbahnhof? Neben Berlin, Paris und New York hatte Wien lange einen fixen Platz auf der Weltkarte des Kinos. Mit der Ausstellung "Wien im Film" spannt das Wien Museum nun einen Bogen von der Stummfilmzeit bis heute. "Abenteuer in Wien" lautet der Titel des Films aus dem Jahr 1952, der den Westbahnhof im nächtlichen Dunkel inszeniert.
Die Ausstellung setzt ganz auf die "Exklusivität des bewegten Bildes", betont Museumsdirektor Wolfgang Kos: "Es gibt keine Vitrinen, Fotos, Monitore oder Kameras, die herumstehen." Stattdessen wurde mit Projektionen ein ungewöhnlicher Ausstellungsparcours mit exemplarischen Spielfilm-Sequenzen geschaffen.
Foto: derStandard.at/Gedlicka
"Wien ist die Hauptdarstellerin in dieser Ausstellung oder zeigt sich zumindest als starke Nebendarstellerin", so Kos. Die Schnitzler-Verfilmung "Der junge Medardus" aus dem Jahr 1923 gehört zu den frühesten Filmen, die im Wien Museum vertreten sind. Regisseur Michael Curtiz drehte später in Hollywood unter anderem Filme wie "Casablanca".
James Bond fährt mit der Straßenbahn: Wien "spielte" nicht nur Wien,
sondern diente wiederholt auch als Kulisse für Szenen, die eigentlich in
Moskau, Bratislava oder Paris angesiedelt sind. So sind an der Station
"Verkleidetes Wien" neben Ausschnitten aus Clint Eastwoods "Firefox" und
"The Three Musketeers" aus dem Jahr 1993 auch Sequenzen aus dem
Bond-Film "The Living Daylights" (1987) zu sehen.
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Nicht als Platzhalter für die gesamten Filme, sondern als autonome Clips zu neun ausgewählten Themen sollen die ausgewählten Sequenzen fungieren. "Topografie des Verborgenen" nennt sich der Ausstellungsbereich, in dem unter anderem Ausschnitte aus "The Third Man" (links) und "Schüsse im 3/4 Takt" (rechts) mit einem jungen Pierre Brice zu sehen sind.
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Carol Reeds "The Third Man", der international wohl bekannteste "Wien-Film", ist Beispiel für einen für die Nachkriegszeit typischen Film-Noir-Blick: Wien erscheint als düster-klaustrophobischer Ort von Agenten, Schiebern und Entwurzelten.
Auch Julie Delpy und Ethan Hawke machen in Richard Linklaters "Before Sunrise" - ein Beispiel für eine jüngere in Wien gedrehte internationale Produktion - im Prater Halt. Rund 30 Prozent der Filmausschnitte stammen laut Werner Michael Schwarz, der die Ausstellung zusammen mit Christian Dewald und Michael Loebenstein kuratiert hat, aus nicht deutschsprachigen Spielfilmen.
"Before Sunrise" taucht unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Topographie des Gefühls auf. Es gibt "standardisierte" Orte, die das Kino aufsucht, um von spezifischen Gefühlen zu erzählen: vom Kahlenberg, auf den die Liebenden pilgern bis zum Donaukanal, der Lebensmüden und Verzweifelten Zuflucht bietet.
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Zwei Wien-Klischees, dem Walzer und dem Wiener Herz wurden eigene Räume gewidmet. Nebst Klassikern wie Erich von Stroheims "The Wedding March" aus dem Jahr 1928 sind auch filmhistorische Fundstücke, die weder im Kino oder Fernsehen gezeigt werden, noch auf DVD verfügbar sind, in der Ausstellung vertreten, so die Kuratoren.
Nicht zuletzt als "Hommage an die wiederbelebte Filmstadt Wien" will Kos die Ausstellung verstanden wissen. Im Bild ein Standfotos aus Götz Spielmanns "Antares" (2004), das ebenso wie Barbara Alberts "Nordrand" als Beispiel für neue Filmschauplätze an der Peripherie der Stadt auftritt.
Foto: Filmarchiv Austria/Nick Albert
Barbara Albert wird sich ebenso wie Ulrich Seidl im Zuge des
Rahmenprogramms zum Gespräch im Wien Museum einfinden, Regisseure wie
Peter Patzak, Franz Nowotny, Michael
Glawogger, Filmmuseumsdirektor Alexander Horwath und die Kuratoren laden
zu Spezialführungen durch die Ausstellung.
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Einzelne Filme, die in der Ausstellung "Wien im Film" Kleinauftritte haben, werden im Rahmen von "Kino unter Sternen" im Juli auch auf dem Karlsplatz in voller Länge unter freiem Himmel zu erleben sein. Neben "The Wedding March" und John Cooks "Schwitzkasten" steht der Agenten-Thriller "Scorpio", in dem sich Burt Lancaster und Alain Delon über Wiener Baustellen jagen, auf dem Programm. Im Bild ein Standfoto von Michael Hanekes "71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls".
Der Ausstellungsparcours, der im Obergeschoß des Wien Museums seine Fortsetzung findet, soll einladen, den Reizen der Filmbilder subjektiv zu folgen, erlaubt aber ebenso wie der parallel erscheinende Katalog auch eine tiefer gehende Beschäftigung. Eine Laufzeit von insgesamt rund 180 Minuten ergeben die thematisch strukturierten Filmsequenzen.
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"Ein historisches Museum darf die Vergangenheit nicht auf Faktisches reduzieren, denn auch Imagination konstruiert Realität", so Direktor Kos. "Sehen Sie Wien, wie es das Kino geschaffen hat", lädt Kurator Christian Dewald die Ausstellungsbesucher ein. Im Bild: "Wien, du Stadt meiner Träume" (1952) (glicka, derStandard.at, 26. Mai 2010)
Wien im Film - Stadtbilder aus 100 JahrenWien Museum Karlsplatz 1040 Wien
27. Mai bis 19. September Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10 bis 18 Uhr
Katalog "Wien im Film", hrsg. von Christian Dewald, Michael Loebenstein, Werner Michael Schwarz, Czernin Verlag, 2010
Foto: derStandard.at/Gedlicka