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Das für die Olympischen Winterspiele 2010 errichtete Österreich-Haus in Whistler nördlich von Vancouver war überhaupt das erste Gebäude mit Passivhaustechnologie in Kanada.

Foto: APA/Schneider

"Die Wohnbauwirtschaft steht vor einer der wichtigsten Aufgaben seit 1950, einer dringend benötigten klimabezogenen Bauinitiative", erklärt Architekt Martin Treberspurg, einer der Pioniere für umweltbewusstes Bauen in Österreich. "Die Planer und die ausführenden Firmen müssen ihre Hausaufgaben machen." Aber auch die Politik müsse helfen, um den Energieverbrauch im Wohnbau deutlich zu senken - durch mehr Förderungen und eine Novelle des Mietrechts- und Gemeinnützigkeitsgesetzes.

20.000 Passivhäuser seien in den vergangenen 20 Jahren errichtet worden, davon 5000 in Österreich. Diese würden bei einer Lebensdauer von 80 Jahren vier Fünftel des Energieverbrauchs eines normalen Wohnhauses einsparen. "Doch die Marktdurchdringung geht viel zu langsam", beklagt Treberspurg. "Wir haben einen Passivhaus-Anteil von 15 Prozent im Neubau und gar keinen bei der Sanierung."

Vom Passiv- zum Aktivhaus

Für Treberspurg ist das Passivhaus ohnehin nur eine Zwischenstufe zum Aktivhaus, in dem mehr Wärme erzeugt als verbraucht wird. Dem stehen allerdings die Kosten entgegen: Während der Sprung vom Niedrigenergie- zum Passivhaus nur vier bis sechs Prozent Mehrkosten verursacht, ist das Aktivhaus noch einmal 40 bis 60 Prozent teurer.

Hilfe für den Passivhausausbau kommt unter anderem vom Klima- und Energiefonds, der Mustersanierungsprojekte betreibt. "Wir wollen die Verbreitung von Best-Practice-Standards vorantreiben: innovativste Techniken bei der Sanierung, optimale Haustechnik und so viel wie möglich erneuerbare Energie", erläutert Geschäftsführer Ingmar Höbarth. "Mit jedem geförderten Objekt steigt das Vertrauen der Bauherren."

Ein solches Beispiel ist etwa die sanierte Bipa-Filiale in der Kärntner Straße 3, wo durch LED-Beleuchtung und eine hocheffiziente Raumluftanlage der CO2-Ausstoß um 90 Prozent und der Heizwärmeenergiebedarf um 85 Prozent gesunken sei. Diese Erfahrungen, so Höbarth, ließen sich auch im Wohnbau anwenden.

klima:aktiv-Standard

Dort ist bereits das Programm klima:aktiv der Österreichischen Energieagentur tätig, das einen eigenen Gebäudestandard entwickelt hat, sagt Projektleiter Stephan Fickl.

Sanierung ist auch für die Wifo-Ökonomin Angela Köppl der Schlüssel zur Reduktion der Treibhausgase im Wohnbereich. "Wenn wir uns nur auf den Neubau konzentrieren, werden wir nicht sehr erfolgreich sein", sagt sie. Hauptzielscheibe der Sanierungsbemühungen sollten die vielen Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Zeit von 1945 bis 1980 sein. Doch hier gebe es zu wenig gesetzliche Handhabe, um die Eigentümer zum Handeln zu bewegen. Dabei würden sich die Kosten einer thermischen Sanierung auf Niedrigenergieniveau bei Einfamilienhäusern in neun Jahren amortisieren, bei Mehrfamilienhäusern gar in sechs Jahren.

Laut dem Innovationsforscher Robert Korab müsse man mit all diesen Errungenschaften breitere Bevölkerungsschichten erreichen. "Klimaschutz ist heute ein Verteilungsproblem", sagt Korab. "Die geförderte Mittelschicht hat einen hohen Standard erreicht, aber die unteren Schichten sind ausgeschlossen." Paradoxerweise auch die Top-Verdiener, weil im privaten Wohnbau viel zu wenig Wert auf Energieeffizienz gelegt werde. Das ließe sich durch eine strengere Bauordnung beheben.

Korab warnt aber davor, sich eine rasche Änderung des Verhaltens bei den meisten Menschen zu erwarten. "Die Freiheiten einer strukturell immer klimaschädlichen Lebensweise müssen wir durch energieeffiziente Hardware und verkehrssparende Dienstleistungen kompensieren", sagt er. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.5.2010)