Für die Pilger waren die Reisen ins Heilige Land riskant und langwierig.

Foto: Ruhr-Universität Bochum

Das Testament des Albert Ponç aus Barcelona vom 20. Juni 1130, der zum Heiligen Grab nach Jerusalem aufbricht. Albert verfügte über eine Vielzahl von Häusern und auch über Gefangene, deren Lösegeld er der Kathedrale von Barcelona vermachte.

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Eine Mittelalterliche Karte Jerusalems: Die kreisrunde Form der Anlage geht auf apokalyptischen Beschreibungen einer runden Stadt mit zwölf Toren zurück, die am Ende der Zeit hinab kommen werde. Die Lage der Kirchen, oben in der Mitte die Grabeskirche, etwas außerhalb das Kloster im Tale Josaphat, wird realitätsnäher dargestellt.

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Die Reise nach Jerusalem war im 11. und 12. Jahrhundert eine langwierige und gefährliche Unternehmung. Die Schiffspassage über das Mittelmeer dauerte viele Wochen, möglich war sie nur von Frühjahr bis Herbst. Trotzdem machten sich viele auf den Weg ins Gelobte Land. Was sie antrieb und was sie dort vorzufinden erwarteten, verraten erhaltene Testamente von Kreuzfahrern und Pilgern.

Nikolas Jaspert, Direktor des Zentrums für Mittelmeerstudien der Ruhr-Universität, fand zahlreiche Zeugnisse damaliger Glücksritter. Fündig wurde Jaspert vor allem in den Archiven Kataloniens, da dort eine auf römischer Tradition fußende starke Schriftkultur vorherrschte. Hier liegen teils unerforschte Testamente, die Pilger aufsetzen ließen, für den Fall, dass sie von der gefährlichen Reise nicht zurückkehren würden.

"Die soziale Bandbreite der Pilger war recht groß", sagt Jaspert. Hinweise auf die Person des potentiellen Erblassers geben zu vererbende Gegenstände. Geht es um eine Truhe mit Schuhen, könnte es sich um einen Schuster handeln, Bücher deuten auf höhere Bildung hin. Altersangaben gibt es meist nicht.

Vergebung der Süden

Viele nennen jedoch ihre Gründe für den Aufbruch ins Gelobte Land: "Weil es aufgrund unserer Beschaffenheit keinem Menschen möglich ist, den Tod zu vermeiden, gehe ich, Albert Ponç, um das Heilige Grab zu Jerusalem zur Vergebung meiner Sünden zu besuchen und anzubeten", schrieb am 20. Juni 1130 zum Beispiel ein vermögender Barceloneser Hausbesitzer.

Der Ablass war für die meisten der Hauptgrund für die Reise. Auch eine starke Christusverehrung zu dieser Zeit spielte eine Rolle. "Vielleicht liegt das am starken Wachstum der Städte und des Reichtums zu dieser Zeit", meint Jaspert. "Das bedingte durchaus auch ein schlechtes Gewissen - immerhin heißt es 'Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt'. Dadurch tritt der 'arme Christus' in den Mittelpunkt des Interesses."

Erobernde Pilger trafen auf Unerwartetes

Da es bis zum Ende des 12. Jahrhunderts für "Pilger" und "Kreuzfahrer" nur einen einzigen Begriff gab, sind die genauen Absichten der Reisenden ungewiss. Auch Kreuzfahrer mit dem Willen zur Eroberung bezeichneten sich oft selbst als Pilger. Was die Reisenden in Jerusalem erwarteten, entsprach wahrscheinlich nicht unbedingt der Realität.

Die Vorstellung, die die Menschen im mittelalterlichen Europa von Jerusalem hatten, speiste sich aus drei Quellen: Biblische Beschreibungen des Gelobten Landes gingen Hand in Hand mit Ableitungen der Offenbarung des Johannes und Berichten von Zeitgenossen über die echte Stadt Jerusalem und führten zu wenig realistischen Ideen über die örtlichen Gegebenheiten, zum Beispiel von einer kreisrunden Stadt mit zwölf Toren.

"Wilder Westen des Mittelalters"

Ob die Pilger aus Jerusalem zurückkehrten, bleibt in aller Regel im Dunkeln. "Vielleicht sind einige Pilger zurückgekommen und haben noch zwanzig Jahre lang gelebt. Andere sind wahrscheinlich auf der Reise umgekommen. Manche werden in Jerusalem geblieben sein", vermutet Jaspert. Immerhin fanden die Reisenden im 12. Jahrhundert eine Stadt vor, in der die Christen Herrscher und in der Siedler willkommen waren. Die Freiheiten waren, auch für Frauen, größer als im Heimatland; sicher natürlich auch die Gefahren. "In vielem dürften diese Siedlungen des Kreuzfahrerkönigreichs Jerusalem den Grenzposten des 'Wilden Westens' geähnelt haben", meint Jaspert. (red)