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Giles Ji Ungpakorn bei einer Pressekonferenz, auf der er die Abschaffung des Majestätsbeleidigungsgesetzes forderte

Foto: AP/Apichart Weerawong

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Proteste in Bangkok

Foto: AP/Manish Swarup

Giles Ji Ungpakorn gilt als einer der renommiertesten thailändischen Politikwissenschaftler. Er ist in Großbritannien und Thailand aufgewachsen und besitzt beide Staatsbürgerschaften. Er lehrte an der Bangkoker Chulalongkorn Universität und machte sich spätestens nach dem Militärputsch 2006 einen Namen, als er Studentenproteste organisierte (siehe Hintergrund). Kurz darauf musste Giles Ji Ungpakorn das Land verlassen. Grund war sein Buch ("A Coup for the Rich"), in dem er den Putsch verurteilte und den König kritisierte.

Der König reagierte darauf mit einer Anklage wegen Majestätsbeleidigung, Giles Ji Ungpakorn drohen seither 18 Jahre Haft. Er floh rechtzeitig, lebt heute in Oxford und ist aus dem Exil als politischer Aktivist tätig. Er betreibt einen Weblog, veröffentlicht Beiträge im Internet und ist bist heute Mitglied der Rothemden. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Armee mit Panzern in Bangkok eingerückt ist und die Barrikaden der Regierungsgegner eingerissen hat, stand er mit ihnen in Kontakt, sagt er im Gespräch mit derStandard.at. Ungpakorns Facebook-Seite wurde am Mittwoch gesperrt.

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derStandard.at: Sie leben seit Februar 2009 in London. Wie haben Sie die Geschehnisse in Thailand verfolgt?

Giles Ji Ungpakorn: Ich bin selbst Mitglied der Rothemden und habe daher alles aus ihrer Warte aus verfolgt. Ich war mit ihnen in Kontakt, bis sie verhaftet wurden. Ein anderer Teil versteckt sich, und auch zu ihnen ist mein Kontakt mittlerweile abgebrochen. Jetzt erfahre ich alles über das Internet und Fernsehen oder über weitere Freunde und Kollegen in Thailand.

derStandard.at: Die Proteste sind zu Ende, auf Twitter, Facebook und in diversen Blogs scheint der Konflikt weitergeführt zu werden. Ist das Internet der neue Austragungsort?

Giles Ji Ungpakorn: Ja, das Internet wird für die Informationsweitergabe immer wichtiger. Die Regierung hat die Medien fest in ihrer Hand, sie kontrolliert Fernsehen, Radio, Printmedien. Sie versucht Berichte zugunsten der Rothemden zu verhindern und hat extra eine Einheit für eine riesige Menge Geld dafür beauftragt, das Internet zu überwachen. Das ist eine eher neue Materie in Thailand, aber viele Websites und Blogs wurden bereits dicht gemacht. Im Moment gibt es eine Art ständigen Wettlauf zwischen der Zensurbehörde der Regierung und denen, die die Informationen ins Internet stellen. Anfang des Monats sah es beispielsweise so aus, als wäre Facebook die Hauptinformationsquelle, wo Leute offen miteinander reden konnten. Das versucht die Regierung jetzt zu unterbinden.

derStandard.at: Die Regierung hat der internationalen Presse unethisch und unverantwortliche Berichterstattung vorgeworfen ...

Giles Ji Ungpakorn: Natürlich, sie wollen die Wahrheit nicht ans Licht bringen lassen. Sie versuchen die Nachrichten zu kontrollieren, aber sie können es nicht.

derStandard.at: In Bangkok kehrt allmählich wieder der Alltag ein. Inwiefern ist eine Normalisierung überhaupt möglich?

Giles Ji Ungpakorn: Die Regierung hat die Führungsriege der Regierungsgegner verhaftet und über 80 Menschen getötet, um die Demonstrationen zu stoppen. Nach dem gewaltsamen Ende der Proteste steckten viele wütende Regierungsgegner weiter Gebäude in Brand, und das waren keine willkürlichen Ziele: das waren Banken, teure Einkaufshallen, Regierungsgebäude. Es wird seine Zeit dauern, bis Normalität einkehrt. Was sich wohl nicht mehr so einfach rückgängig machen lassen wird, ist die Stimmung in der Bevölkerung. Das Volk ist extrem wütend. Der größte Teil der Rothemden – und wir reden hier von mindestens 13 Millionen Menschen – hat den Respekt vor dem König und der königlichen Familie verloren. Sie hassen die Armee und sind verbittert über die Demokratische Partei. Das wird sich so schnell nicht mehr ändern.

derStandard.at: Wie wird es laut Rothemden weitergehen?

Giles Ji Ungpakorn: Thailand kann nicht mehr zurück zu dem, wie es vorher war. Je mehr man die Leute unterdrückt, desto wütender werden sie. Die Frage ist, wie sich dieser Ärger in Zukunft äußern wird.

derStandard.at: Die Proteste werden also weitergehen?

Giles Ji Ungpakorn: Es wird noch Proteste geben, wobei man jetzt nicht sagen kann, wann. Im Moment erholen sich die Menschen von dem, was eben erst passiert ist. Aber die Krise, das Problem an sich, wurde nicht gelöst. Es ist nicht die richtige Einstellung, zu glauben, dass sich die Lage normalisiert, wenn man 80 Menschen umbringt und die gesamte Führungsriege der Rothemden hinter Gitter bringt. Das Problem wird sich nicht in Luft auflösen.

derStandard.at: Wird die Regierung Konsequenzen ziehen? Konsequenzen für den demokratischen Prozess?

Giles Ji Ungpakorn: Der demokratische Prozess wird seit dem Sturz des Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra 2006 verhindert. Die jetzige Regierung wurde nie vom Volk gewählt und musste nun sogar Menschen umbringen, um an der Macht zu bleiben. Was die Rothemden verlangen, ist die Rückkehr zur Demokratie. Ohne eine Rückkehr zum demokratischen Prozess wird es nie Frieden geben in Thailand.

derStandard.at: Finanzminister Korn Chatikavanij hat gesagt, es gibt keine Sieger, auch die Regierung habe nicht gewonnen ...

Giles Ji Ungpakorn: Die Regierungsmitglieder sind Lügner, die sehr wohl der Meinung sind, gewonnen zu haben. Es wird ein bitterer Sieg sein, denn sie werden in der Zukunft keine Wahlen gewinnen. Die Gesellschaft ist jetzt noch mehr gegen sie als sie es vorher bereits war. Die Regierung ist für den Tod von über 80 Menschen verantwortlich und sollte daher zurücktreten.

derStandard.at: Wie gefährlich ist Bangkok im Moment noch?

Giles Ji Ungpakorn: Die Armee ist auf den Straßen unterwegs und versucht, noch mehr Demonstranten festzunehmen. Es ist also sehr gefährlich im Moment für die, die an Demokratie glauben. Im Grunde haben wir in Thailand gerade eine brutale Militärdiktatur.

derStandard.at: Bräuchte es eine Einmischung aus dem Ausland?

Giles Ji Ungpakorn: Menschen, die an Menschenrechte glauben, sollten sich auch dafür stark machen. Wenn die EU Glaubwürdigkeit behalten will in ihrem Kampf für Menschenrechte, sollte sie sich schon einmischen, aber ich glaube, dass Demokratie ohnehin nur erreicht werden kann, wenn die Menschen in Thailand selbst aufstehen und dafür kämpfen. (Anna Giulia Fink, derStandard.at, 24.5.2010)