Am 1. Juni finden die Wahlen zur Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (Arch+Ing) statt. Fünf Listen stellen sich in der Regionalkammer Ost (Wien, NÖ, Burgenland) zur Wahl, darunter auch erstmals die IG Architektur.

"Ressourcenverschleuderungsmaschine"

Diese besteht zwar schon seit acht Jahren, bisher habe man es aber stets abgelehnt, zu kandidieren, sagt IG-Sprecher Bruno Sandbichler. Dies solle sich nun ändern, unter anderem aus folgenden Gründen, wie Sandbichler erklärt: "Die Architekten sind viel zu wenig vertreten, vor allem die kleinen Büros werden benachteiligt. Die Kammer arbeitet intransparent und wird von vielen Büros eher als Hürde denn als Hilfe angesehen. Und die Aufgabe der Kammer wäre es auch, die Gemeinden, Wohnbauträger und Bauherren im Allgemeinen zu mehr Qualitätsbewusstsein in der Baukultur zu drängen. Wir hören von den institutionellen Auftragsgebern aber leider eher Negatives, weil die Kammer mit vielen verschiedenen Gesichtern auftritt."

Christian Aulinger, seit vier Jahren bereits Mitglied der Bundeskammer und nun Bundes-Spitzenkandidat der neuen IG-Architektur-Liste, geht noch einen Schritt weiter: "Die Kammer ist in ihrem Aufbau, ihren Entscheidungsstrukturen und bezüglich ihrer Mitbestimmungsmechanismen mittlerweile völlig anachronistisch und für eine effiziente Berufsvertretung in höchstem Maße kontraproduktiv. Hier helfen keine Justierungen, sondern nur eine grundlegende Neustrukturierung. Eine zeitgemäße, demokratische und leistungsfähige Berufsvertretung würde eine Art Selbstauflösung und gleichzeitige Neugründung der Kammer bedingen." Die bisherige Arbeitsweise nennt er eine "sich selbst lähmende Ressourcen- und Energieverschleuderungsmaschine".

"Kein Marketing, keine Transparenz"

"Die Kammer-Strukturen, mit denen wir leben, sind über ein halbes Jahrhundert alt", pflichtet der Spitzenkandidat für Wien, NÖ und Burgenland, Bernhard Sommer, bei. "Das erste Ziviltechniker-Gesetz stammt aus 1957, und die größte Reform seither war 1993. Und selbst da musste man die Änderungen mit der Lupe suchen. Wir wollen ein komplett neues Kammergesetz", sagt Sommer, "auch wenn das lange dauern wird."

Konkret kritisiert auch er, dass die Kammer "keine offensive Politik für Architekten" betreibe. "Es gibt kein Marketing. Von der Baumeisterinnung kann man beispielsweise jeden Tag eine Broschüre bekommen. Auch die Arch+Ing-Kammer soll offensiv hinausgehen und den Leuten erklären, welche Vorteile man hat, wenn man mit einem Architekten baut."

"Es ist wie ein Sumpf"

Listenzweite Verena Mörkl beklagt insbesondere die fehlende Transparenz. "Man erfährt selbst als Kammermitglied nicht, was dort passiert. Es ist wie ein Sumpf, in den man etwas hineinschmeißt, wo nichts zurückkommt. Uns ist wichtig, diese Transparenz wieder herzustellen, sodass auch eine Rückkopplung passiert mit den Leuten, die wählen gehen. Die sollen endlich einmal erfahren, was dort in den nächsten vier Jahren gemacht wird, welche Ausschüsse es gibt und woran die arbeiten. Und mit welchen Erfolgen oder Misserfolgen sie gewisse Gespräche abschließen."

Auch das Pensionssystem der Architekten stelle nach wie vor eine "absolut unhaltbare Situation" dar, die gelöst werden müsse, so Mörkl. "Jeder Architekt ist verpflichtet, mindestens drei Jahre lang Praxis zu leisten, bevor er seinen Beruf überhaupt ausüben darf. In dieser Zeit zahlen wir in das staatliche Pensionssystem ein, und dieses Geld ist nach dem Übertritt in das Pensionssystem der Architekten komplett verloren." Versuche, dies zu ändern, seien bisher stets gescheitert.

Mörkl und die ebenfalls auf der Regionalliste kandidierende Azita Praschl Goodarzi vermissen außerdem eine gendergerechte Herangehensweise. "Das Gesetz ist nach wie vor so formuliert, dass es zum Beispiel den 'Ziviltechniker' kennt und als Pensionsanspruchsberechtigte dann die 'Witwe'. Das gehört endlich adaptiert." Außerdem gebe es keine geeignete Karenzregelung für Architektinnen und Architekten.

"Komplett neues Gesetz nötig"

Dass die IG bisher nicht in der Kammer vertreten war und als Organisation deshalb keine "Kammererfahrung" hat, sieht Sandbichler positiv, "weil 'Erfahrungen haben' in diesem System bedeutet, in diesem System zu leben. Und das ist aber das letzte, was uns weiterbringt." Die Kammer sei "zu einer Vorfeld-Organisation der Großbüros mutiert" und "eigentlich nur mehr Erfüllungsgehilfe im Wettbewerbswesen", so Sandbichler weiter. "Es gibt beispielsweise keinerlei kritische Stellungnahme seitens der Kammer zu irgendeinem Wettbewerb der letzten zwei Jahre. Und es gibt sogar eine ganze Reihe von Entscheidungen in den letzten Jahren, die die kleinen Büros gegenüber den Großbüros benachteiligen, weil die eben in der Kammerführung dominieren. Nachdem jetzt Neuwahlen anstehen und auch ein Generationswechsel stattfindet, sehen wir die Chance, dass wir Architekten durch eine Kandidatur einen wichtigen Einfluss in der Kammer bekommen." (iSee, map, derStandard.at, 25.5.2010)