Bild nicht mehr verfügbar.

Verblasster Hoffnungsträger des Westens: Irakli Alasania.

Foto: REUTERS/David Mdzinarishvili

Schillernde Persönlichkeiten pflegen ähnlich bizarre Gerüchte hervorzubringen. Von Michail Saakaschwili, dem Staatschef Georgiens, heißt es derzeit, er habe sich in seiner Präsidentenmaschine eine Schleudersitzkapsel im James-Bond-Stil einbauen lassen. Seit dem tragischen Absturz des polnischen Präsidenten Lech Kaczyñski, eines engen Verbündeten, lebt der Geor-gier in der Furcht vor einem Pilotenfehler.

Von der Militärparade zum Nationalfeiertag, die Saakaschwili letztes Jahr im Mai kurzfristig absagte, lässt sich im Rückblick ebenso trefflich spekulieren: Saakaschwili wollte verhindern, wie einst der ägyptische Staatschef Anwar el-Sadat zu enden - von den eigenen Soldaten auf der Tribüne erschossen.

Dieses Jahr ist alles anders. Die Meuterei von Mukhrovani Anfang Mai 2009, als ein Panzerbataillon, frustriert über die Kapitulation vor Russland und dem Verlust zweier Provinzen, dem Staatschef den Gehorsam aufgesagt hatte, ist zumindest rechtlich aufgearbeitet. Die Kommandeure wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Nur vier Tage vor den Kommunalwahlen in Georgien, dem ersten politischen Stimmungstest seit dem verlorenen Krieg, lässt Saakaschwili zum Nationalfeiertag am Mittwoch wieder Panzer in Tiflis rollen und die weißen Fahnen mit den vier georgischen Kreuzen schwenken. Die Botschaft:Der Präsident sitzt fest im Sattel.

Vorgezogene Wahlen in den Städten und Gemeinden der Kaukasusrepublik, eine Abstimmung in der Hauptstadt Tiflis vor allem, dem mit einer Million Wählern mit Abstand wichtigsten politischen Zentrum des Landes, waren Saakaschwilis Angebot an das Land, um nach der Zäsur des Augustkriegs 2008 zu einer neuen Ordnung zu gelangen. Einen Rücktritt hatte der oft unbeherrscht agierende Präsident stets abgelehnt. Dabei hatte ihm die internationale Kommission zur Untersuchung des Georgienkriegs unter Führung der Schweizer Diplomatin Heidi Ta-gliavini die unmittelbare Verantwortung für den Kriegsausbruch gegeben. Es war der Artilleriebeschuss der südossetischen Stadt Zchinwali in der Nacht zum 8. August 2008, der zum - wohl vorbereiteten und weit überzogenen - Gegenangriff der russischen Armee führte.

Die Nichtaufarbeitung der Kriegsniederlage mit ihrem Flüchtlingsdrama und den militärischen Fahrlässigkeiten belastet Georgien bis heute. Saakaschwili, so scheint es, ist es gleichwohl gelungen, seine politischen Widersacher - allen voran den von Washington und Brüssel sehr geschätzten früheren UN-Botschafter Irak-li Alasania - ins Leere laufen zu lassen. Umfragen vor den Wahlen am Sonntag sagen einen klaren Sieg von Saakaschwilis Partei Vereinigte Nationale Bewegung voraus. Bei der Direktwahl des Bürgermeisters in Tiflis dürfte Amtsinhaber Gigi Ugulava mit Leichtigkeit die 30-Prozent-Hürde überspringen, die ihn sonst in eine Stichwahl zwingen würde; Alasania soll nur auf sieben Prozent kommen.

Ausgleich mit Moskau

In Tiflis zeigt sich auch die Uneinigkeit der Opposition, die im vergangenen Jahr noch monatelang versucht hatte, Saakaschwili mit Straßenprotesten zum Rücktritt zu drängen. Ex-Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse boykottiert mit ihrer Partei die Wahlen, Ex-Premier Surab Nogaideli schickt einen eigenen Kandidaten ins Rennen - den irrlichternden rechtsnationalen Zviad Dzidziguri. Der Bierbrauer und Industriemagnat Gogi Topadze, ein Freund von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, komplettiert das Feld. Sie alle denken an die Zeit nach Saakaschwili, dessen Mandat 2013 endet - und suchen den Ausgleich mit Moskau. /DER STANDARD, Printausgabe, 25.05.2010)