Die Dorfbewohner Camorras bringen dem Protagonisten das Buchstabieren bei: "P" wie packend.

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Wien - Kann man aus einem über einhundert Jahre alten Kinderbuch, das eindeutig in die Kategorie "erhobener Zeigefinger" gehört, unterhaltsames und zeitgemäßes Theater machen? Die aktuelle Pinocchio-Inszenierung des Theater der Jugend zeigt: Ja, man kann!

Pinocchio 2010 ist ein präpotenter Teenager; wenig erinnert an das Püppchen aus Carlo Collodis Originalfassung. Auch die Gesellschaft, in die der Holzjunge eingegliedert werden soll, ist eine andere, ihre moralische Fragwürdigkeit mehr als offensichtlich. Thomas Birkmeirs Bearbeitung stellt sich meist auf Pinocchios Seite: "Der Ernst des Lebens? Das klingt aber gar nicht lustig!"

Birkmeir unterzieht den Text einer Radikalkur, außer Ende und Anfang, der italienischen Kleinstadt und dem Walbauch, bleibt wenig an seinem Platz: Das Puppenspiel, in dem Pinocchio nach seinem Ausriss Anstellung findet, ist eine Varieté-Show, Pinocchio ihr Gigolo. Das verführerische "Land der Spielereien" gleicht dem Vergnügungsprater, die wunderbar dickbusige Fee Fantasma schwebt auf einer HiFi-Anlage einher. Vorangetrieben wird das Stück von den sparsam, dafür umso effektvoller arbeitenden Musikern, die zusammen mit der soliden Choreografie vor allem im zweiten Teil für Tempo sorgen.

Das Schönste an der Show sind jedoch die hintergründigen Slapstick-Einlagen des Ensembles: Egal, ob internationale Kuh-Kurtisanen-Tanzgruppe auf der Kabarettbühne oder exotisch-erotische Fischwesen am Grund des Ozeans, es liefert, gewürzt mit einer Prise Travestie, entzückende Performances. Daniel Jeromas wurde seiner Rolle des Pinocchio allzu gerecht: Er wirkte recht hölzern. (Susanne Fuchs, DER STANDARD/Printausgabe, 22./23./24.05.2010)