New York / Wien - "Zeichen für Entspannung des Kunstmarkts verdichten sich" , posaunte vor einem Monat eine Überschrift in der International Herald Tribune. Im Gegensatz dazu sage ich in meinem dieser Tage erscheinenden Buch Mood Matters voraus, dass der Kunstmarkt ein langfristiger Verlierer sein wird, zumal sich die globale soziale und wirtschaftliche Stimmung weiter verdüstert.

Da es also unterschiedliche Ansichten über die Zukunft des Kunstmarkts gibt, ist es womöglich wert, etwas tiefer zu schürfen, um zu sehen, was wirklich los ist. Der optimistische Artikel in der International Herald Tribune beruft sich zunächst auf Philip Hoffman, den Leiter des Fine Art Group Fund, sowie seinen Kollegen von Castlestone Management, einem Fonds, der auf Kunstinvestitionen für wohl betuchte Kunden spezialisiert ist.

Abgesehen davon, dass die Auskunft dieser beiden Experten in etwa so zu bewerten ist wie die Antwort eines Fuches auf die Frage, ob Hühner eine gute Beute sind, gibt es auch ein erhellendes Zitat von Hoffman: "Eigenkapital ist ein zentraler Indikator, wenn man Trends im Kunstmarkt analysieren will." In die Sprache meines Buchs, also die der Sozionomik, übersetzt, bedeutet das: Man kann erwarten, dass es mit dem Kunstmarkt aufwärtsgeht, wenn die soziale Stimmung (gemessen an den Börsenindizes) steigt. Und sie fällt wieder, wenn die Menschen sich vor der Zukunft zu fürchten beginnen.

Nach einer Rekapitulation der Krise des Kunstmarkts im Jahr 2009 ist aber auch von einem Umsatzplus bei Sotheby's im letzten Quartal des Jahres 2009 die Rede. Und Philip Hoffman prophezeit: "Wir werden tolle Preise in New York sehen" , die man beim gegenwärtigen wirtschaftlichen Klima nicht erwarten würde.

Ausgehend von diesen optimistischen Aussagen erwartet man also eine sonnige Zukunft, die von keinem Wölkchen getrübt wird. Aber es gibt auch Leute, die ein etwas anderes Bild von der aktuellen Lage am Kunstmarkt zeichnen. Michael Moses, Mitentwickler des Mei-Moses-Kunstindex, etwa sagt, dass der Index im ersten Quartal 2010 um fast fünf Prozent gefallen sei. Da der Verlust nur der amerikanischen Kunst vor 1950 zuzuschreiben ist, sei er nicht so schlimm.

Kunst als "sichere" Anlage

Betrachtet man den Kunstmarkt allerdings längerfristig, dann ist es so, als ob sich die Preise ihre größten Sprünge im Gefolge von Höhenflügen der Finanzmärkte aufsparen würden. Zu diesen Zeitpunkten können es sich wohl betuchte Investoren leisten, die Preise für Meisterwerke nach oben zu treiben: Denn sobald sich die Türen für profitable Börseninvestitionen schließen, scheint die Kunst eine zumindest vorübergehend sicherere Anlage zu sein als Aktien.

Die Hauptbotschaft hier ist, dass die sogenannte Erholung des Kunstmarkts mehr denn je von den großen Namen und von renommierten Sammlungen getrieben sein wird. Das aber beschönigt das Bild vom Kunstmarkt insgesamt. Denn abgesehen vom Top-Segment wird das Hauptgeschäft bestenfalls seinen ohnehin wackeligen Zustand halten können.

Und das ist immer noch eine günstige Prognose im Vergleich zu dem Fall, dass die Finanzmärkte weiter nach unten gehen und dabei die Kunstpreise mitnehmen sollten. (John L. Casti, DER STANDARD/Printausgabe, 22./23./24.05.2010)