Wir leben in dramatischen Zeiten. Es ist fast beruhigend angesichts der Turbulenzen der jüngsten Zeit, dass noch immer Autos ihre Käufer finden, die so viel kosten wie anderer Menschen Häuser. Deren keramische Bremsanlage alleine einen Listenpreis wie ein Kleinwagen hat. Oder haben am Ende lediglich die verdammten Krisengewinnler das Geld, um sich so einen Audi R8 Spyder zuzulegen? Eine Frage, deren Beantwortung hier nicht weiter ausgebreitet wird, weil sie nicht das Thema dieser Seiten ist.

Foto: Rudolf Skarics

Das Thema der Friaul-Ausfahrt war vielmehr Dramatik im Automobilbau, Dramatik im Design und Dramatik in der Technik, die zur Anwendung kommt. Vor der Kulisse sich dramatisch auftürmender Regenwolken bewegte man Meisterwerke des Automobilbaus durch die proper inszenierten Weinberge des Collio.

Der R8, wenngleich er heißt wie ein hinten links vergessener Roboter aus den Star Wars-Filmen, war die Diva unter den sechs anwesenden Maschinen.

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Das Aussehen: Dramatisch. Gefährlich. Schön. Das Drama basiert auf einem Le-Mans-Auto, das ein Herr gezeichnet hat, der Luc Donckerwolke heißt. Na dann.

Der Unterschied zu anderen Sportwagen liegt darin, dass sich der Ingolstädter durchaus mal undramatisch fahren lässt wie der Wagen, der so viel kostet wie die R8-Keramikbremsen.

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Oder eben schnell. Zu schnell. Darüber soll man gar nicht so viele Worte verlieren, weil es meist die falschen sind, weil in der technischen Beschreibung steht, dass der Wagen 313 km/h Spitze fahren könnte, außer: Der Mittelmotor-Roadster lag dabei mindestens so gut auf den Straßen wie der Maßstab aller Sportwagen, der Porsche 911 Turbo.

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Diese Meinung über die Qualitäten des offenen R8 bildete sich einhellig unter den anwesenden Autotestern im Friaul. Sie kennen sich und sie kennen sich aus, da sie seit zehn Jahren einmal pro Saison mehr oder minder dramatische Gefährte über die Straßen bewegen und dabei von der lokalen Bevölkerung mehr oder minder frenetisch gefeiert werden.

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Der R8 Spider mit seinem verruchten Fetzen als Dach, mit seinem fürchterlich klingenden Namen und seinem toll klingenden und durch echsenhaft aufgeblätterte Sideblades atmenden V10-FSI-Motor (525 PS), der Wagen, der wie die Corvette, die Cobra oder die DS keinen männlichen Artikel bedingen sollte, wird dabei wahrgenommen wie eine dramatisch schöne Frau an der Seite von uns Durchschnittstypen. Diese brutale Aufmerksamkeit der Umgebung muss man einmal ertragen.

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Nur einfach zu viel Geld zu besitzen, aufgrund von fragwürdigen Krisengewinnen, befähigt zum Erledigen dieser dramatischen Arbeit noch lange nicht. (DER STANDARD/Automobil/20.5.2010)

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ZWEITE MEINUNG
Wer noch nie bei einem Sportwagen mit über 500 PS ins Gas stieg, glaubt vielleicht, dass es die pure Hetz ist, so ein Auto über die Straße zu prügeln – und vergisst darauf, wie schwierig es sein könnte, es auf ihr zu halten. Beim R8 macht das aber gar nichts, denn er ist so einfach zu fahren wie ein Smart, Fiesta, Simca 1100. Mit dem Unterschied der hormonausschüttenden Beschleunigung, des Dauergrinsens, der Dröhnung des V10. Und dass man mit dem R8 wegen der Reifen nicht in Waschstraßen kommt, die den Wagen wie am Förderband durchziehen. Aber: Noch nie war Selberputzen so schön wie beim R8. (glu)

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