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Des "Bobos" liebster Platz zum Abhängen: Das Museumsquartier und seine Enzis.

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Ein Bild aus alten Tagen: Blimlinger bei der letzten Wien-Wahl 2005 mit Maria Vassilakou und Alexander van der Bellen.

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Im siebenten Wiener Gemeindebezirk scheint die Welt noch in Ordnung. Hier wird in der Bezirksvertretungssitzung nicht darüber diskutiert, wo die nächste Ampel errichtet wird, sondern ganz im Gegenteil: ob die Bevölkerung nicht selbstständig fähig ist miteinander zu kommunizieren und entsprechende Verkehrszeichen deshalb abgebaut werden sollen. "Shared Space - StraßeFairTeilen" nennt sich das Konzept, das Bezirksvorsteher Bliminger auf einem 300 Meter langem Abschnitt zwischen Zieglergasse und Neubaugasse einführen will. Frei nach dem Prinzip, dass verkehrsregelfreie Räume, wie etwa ein Eislaufplatz, zu vermehrten Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer führen.

Zwischen MQ und Urban-Loritz-Platz

Dass in Wien-Neubau Fahrradplätze, Mädchencafes und Fledermauskästen auf der politischen Agenda stehen, und nicht die Reibereien zwischen den "echten" Wienern und den Zugezogenen oder der Anstieg von Kriminalität, ist auch der Zusammensetzung der Bevölkerung geschuldet. Der siebente Bezirk - Zweitname: "Boboville" - hat es geschafft zum Hauptansiedlungsgebiet der sogenannten "Bobos" (Bourgeois Bohemians) zu werden. Zwischen Museumsquartier, Spittelberg, Neubaugasse und Urban-Loritz-Platz fühlen sich die jungen Kreativen, Selbstständigen und Studierenden offensichtlich am wohlsten: inmitten von Szene-Lokalen, Architekturbüros, Jungdesignerboutiquen, Theater und nicht zuletzt dem Museumsquartier.

Ungefähr 30.000 Einwohner hat der - zumindest was die Parkanlagen und Grünflächen betrifft - gar nicht so grüne Bezirk. Mit 23,6 Prozent liegt der Ausländeranteil über dem Wiener Durchschnitt. Auch der Anteil der 20 bis 39-Jährigen unter der Bevölkerung ist größer als im Rest von Wien und belegt den Ruf, dass Neubau Anziehungspunkt für Künstler, Jungunternehmer und Studierende ist.

Grüne Wählerhochburg

Politisch drückt sich das auch in der grünen Bezirksvertretung aus. Vor der derzeitigen grünen Vorherrschaft stellte die ÖVP bis Anfang der 90er-Jahre den Bezirksvorsteher, darauf folgten zwei Amtsperioden unter SPÖ-Führung. Seit 2001 ist der Grüne Thomas Blimlinger Bezirksvorstand von Neubau. Seine politischen Mitbewerber sind Husty Rainer (SPÖ), Fritz Aichinger (ÖVP) und Bernhard Rösch (FPÖ).

Im Jahr 2005 durften die Grünen hier einen ihrer seltenen Wahlerfolge einfahren: Die Stimmenanzahl konnte mit einem Plus von rund zehn Prozent auf 43,26 Prozent gesteigert werden. Die SPÖ musste hingegen mit rund 27,5 Prozent Vorlieb nehmen, die ÖVP mit 18 Prozent. Die Wählerstimmen der FPÖ halbierten sich und liegen bei sieben Prozent. Fahren die Grünen auch landesweit meistens Niederlagen ein, so können sie sich also doch einstweilen noch auf ihre Wählerhochburg verlassen. Nicht ohne Grund befindet sich hier auch das Landesbüro der Wiener Grünen - das sogenannte "Grüne Haus".

Indirekte politische Konkurrenz gibt es hier nur durch das österreichische Staatsoberhaupt. Bundespräsident Heinz Fischer sollte jedenfalls eine Verlegung seiner Residenz in den Nachbarbezirk erwägen, hat er doch bei Bundespräsidentenwahl in Neubau mehr Stimmen (88,6 Prozent) erhalten als in der Josefstadt (86,46 Prozent).

Überdurchschnittlich hoher Ausländeranteil

Dass Bezirksvorsteher Blimlinger mit unkonventionellen Ideen wie "Shared Space" den siebten Bezirk verändern will, ließ er schon 2005 nach dem großen Wahlerfolg anklingen, als er von den Widersprüchen in einem dichtverbauten Innenbezirk sprach, die es aufzulösen gelte: "Neue Formen der BürgerInnenbeteiligung sind dabei selbstverständlich." Dass er damit die Selbstermächtigung der Bevölkerung zu Verkehrsreglern meinte, wusste damals freilich noch niemand.  (edt/derStandard.at, 20.05.2010)