Es kommt bei vielen Tierarten (inklusive Mensch) nicht so selten vor, dass jene Männchen, die sich um den Nachwuchs kümmern, nicht die leiblichen Väter sind. Sehr sensibel sind in dieser Frage die Männchen des dreistacheligen Stichlings: Wenn ihnen fremde Kinder untergeschoben werden, machen sie Tabula rasa - und fressen kurzerhand die gesamte Brut auf, wie Biologen der Universi- tät Bonn in den Proceedings der Royal Society B schreiben.

Normalerweise kümmern sich die Männchen um die Eier, bis der Nachwuchs geschlüpft ist. Doch als die deutschen Wissenschafter den männlichen Fischen von Rivalen befruchtete Eier in unterschiedlichen Mengen in die Nester gelegt hatten, reagierten sie weniger fürsorglich: Sie merkten nach einigen Tagen den Betrug und fraßen das Gelege teilweise oder komplett auf. Je mehr fremde Eier sich dabei im Nest befanden, desto häufiger musste der gesamte Nachwuchs daran glauben.

Doch wie erkennen die Fische die fremden Eier und warum müssen sie gleich so radikal vorgehen? Die Wissenschafter vermuten, dass die Stichlinge anhand des Duftes die Zahl der fremden Eier abschätzen - allerdings erst gegen Ende des Brutzyklus. Die Gründe für den umfassenden Kindsmord seien in den Anstrengungen der Brutpflege zu finden.

Erschöpfende Brutpflege

Das Stichlingsmännchen muss während der Brutpflege den Eiern rund um die Uhr frisches Wasser zufächeln. Für den kleinen Fisch ist diese körperliche Arbeit so anstrengend, dass er oft nach dem Ende der Brutpflege stirbt. Diese Anstrengung lohne sich nicht, wenn dadurch vor allem dem Nachwuchs eines Rivalen zum Leben verholfen werde. Einfacher sei es, die Brut zu fressen und einen neuen Versuch zu starten.

Warum die Fische auch die eigenen Nachfahren vertilgen, ist nicht ganz klar. Die Forscher vermuten, dass der Geruch der Eier nicht eindeutig genug sei. Rieche das Nest fremd, würden einfach alle Eier vernichtet. (APA, tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 19.05.2010)