Ein einfaches Gedankenexperiment: Ein Museum richtet eine Ausstellung über Nazikunst aus und verabsäumt, die Kunstwerke in einen Kontext zu stellen. Sprich, die Rolle von Kunst im Dritten Reich zu erklären, ihre Instrumentalisierung zu skizzieren, die Verfolgung nicht systemkonformer Künstler zu thematisieren. Die Empörung wäre groß. Zu Recht. Die offizielle Kunstproduktion eines totalitären Regimes ist Teil seiner Propagandamaschinerie. Nur wer ihre Hintergründe kennt, vermag sie kritisch zu rezipieren.

Die Ausstellung über Kunst in Nordkorea im Wiener Mak verzichtet auf jegliche Kontextualisierung. Die Besucher, so Direktor Peter Noever, seien mündig genug, die Zusammenhänge zu erkennen. Das ist, mit Verlaub, naiv. In einer Ausstellung über Nazikunst kennen weit mehr Besucher den Kontext als in einer Schau nordkoreanischer Staatskunst. Trotzdem wird jedes Museum in ersterem Fall Wert darauf legen, die historischen Hintergründe aufzubereiten - damit nur ja keine Missverständnisse aufkommen.

Im Mak scheint man diese dagegen bewusst in Kauf zu nehmen. Hätte man auf eine kritische Darstellung nordkoreanischer Kunst bestanden, hätte das offizielle Nordkorea der Ausstellung nie zugestimmt. Das spricht für sich - und gegen ein Museum, dem mediale Aufmerksamkeit wichtiger ist als der verantwortungsvolle Umgang mit der Kunst eines brutalen totalitären Systems. (Stephan Hilpold/DER STANDARD, Printausgabe, 19. 5. 2010)