Bild nicht mehr verfügbar.

Rothemden schießen Feuerwerkskörper auf Soldaten am Checkpoint Ding Daeng im besetzten Viertel im Zentrum von Bangkok.

Foto: Reuters/Latif

Bangkok - Andrea Jersabek kann es kaum fassen, "dass ich meine eigene Straße dauernd im Fernsehen sehe". In der Straße wird geschossen, immer wieder, bei Tag oder Nacht. "Es ist extrem deprimierend, wenn man so etwas miterlebt" , sagt die gebürtige Oberösterreicherin, die plötzlich an ihrem Wohnort in Bangkok in einer politisch hart geführten Auseinandersetzung landete.

Jersabek hatte bereits die Unruhen im April 2009 miterlebt, doch nun haben die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung, Sicherheitskräften und den Demonstranten (die Rothemden) eine neue Qualität erreicht. "Ich muss mich ducken, damit mich niemand über den Haufen schießt, wenn ich einkaufen gehe." Jersabek, die an einer Universität in Bangkok lehrt, verbringt die Nächte teilweise aus Sicherheitsgründen in einem Zimmer an der Uni. Ein ihr bekannter Mönch bot ihr an, er könne sie auch im Tempel unterbringen.

Weg durch Hintertür

Für viele Einwohner Bangkoks sind die täglichen Wege derzeit schwer zu bewältigen. Für jene, die rund um die besetzten Straßenzüge im Zentrum der Stadt wohnen, bleibt oft nur der Weg durch die Hintertüre. Khun Pathana, eine Thai, die an der mit Reifen verbarrikadierten Soi Ngam Dupli wohnt, geht "immer hinten raus" . Und wie es sich für eine optimistische Thai gehört, bezeichnet sie das als "kein Problem" . Sie brauche ja derzeit kaum zur Arbeit gehen, da ihre Chefin, eine Italienerin, ins Hotel umziehen musste und sie nicht zum Babysitten kommen brauche. "Man arrangiert sich und sucht sich andere Wege" , bleibt auch Doris Reiling, die nah an der gesperrten Sathorn-Road und damit nah am besetzten Lumphini-Park wohnt, pragmatisch: Frau Reiling weiß von Freundinnen, dass sie mit der Situation "schwer zurechtkommen, weil sie Angst haben" . Aber "runterziehen lasse ich mich nicht" , sagt sie. Wenn sie nicht rausgehen kann, bäckt sie eben wieder mal einen Kuchen, und sie und ihr Mann, dessen Büro derzeit geschlossen ist, haben dann eine ruhige Stunde zu Hause. "Ich habe vier Jahre im Jemen gelebt" , scherzt Reiling, "ich werde auch Bangkok überleben."

Jene, die etwa in Bangkok auf der anderen Seite des Chaopraya-Flusses leben, bekommen von den Schießereien kaum etwas mit. Österreichs Botschafter in Bangkok, Johannes Peterlik, vermutet auch, "dass die Österreicher, die hier leben, genau wissen, wie sie die Demonstrationen weitläufig umgehen können" .

Zum Glück seien derzeit kaum Touristen in der Stadt, sagt der Botschafter. Die an der Botschaft registrierten Auslandsösterreicher erhielten regelmäßig per E-Mail Informationen zur Sicherheitslage. Andere Botschaften hätten aus Sicherheitsgründen bereits schließen müssen. "Die österreichische ist geöffnet" , sagt der Diplomat, wenn auch mit Einschränkungen. Wenn Österreicher das Land verlassen wollen, könne man behilflich sein. Evakuierungen sind nicht geplant.

Gespräche abgelehnt

Die Regierung in Thailand lehnte am Dienstag Gespräche mit den demonstrierenden Oppositionellen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Verhandlungen könne es nur geben, wenn die Rothemden ihre Proteste beendeten, sagte ein Staatssekretär von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva. Mehrere Dutzend Mitglieder des Senats hatten sich jedoch zuvor für Gespräche ausgesprochen. Die von der Regierung abgelehnte Initiative von 64 Senatoren sah Gespräche und einen Gewaltverzicht vor, um die Lage zu entschärfen.

Auch am Dienstag kam es zu sporadischen Gewaltausbrüchen. Soldaten gaben Warnschüsse ab, weil Demonstranten Autoreifen in Brand setzten. Allerdings erreichte die Gewalt nicht das Niveau der vorangegangenen Tage. (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Printausgabe, 19.5.2010)