Anas Schakfeh (li.), Oberhaupt der heimischen Muslime, mit Abdul Jelil, Imam aus Großbritannien und Famile Arslan, Seelsorgerin in den Niederlanden.

Foto: christian fischer

Wien - "We agree, that it's not needed": So kurz und knapp fasst Carla Amina Baghajati, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs, die Haltung europäischer Imame zu Burka und Gesichtsschleier zusammen.

Nach einer dreitägigen Konferenz in Wien, zu der muslimische Geistliche aus 40 Ländern angereist kamen, präsentierten am Sonntag das islamische Oberhaupt Anas Schakfeh und ein halbes Dutzend Teilnehmer an der Religionspädagogischen Akademie Ergebnisse, auf welche Art die Imame, zu deren Aufgaben auch die Seelsorge in ihren Gemeinden gehört, den Gläubigen künftig Orientierungshilfen geben mögen.

Prediger als Lotsen

Weil auch hierzulande Frauenrechtlerinnen von Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SP) abwärts die komplette Verschleierung als Zeichen der Unterdrückung ablehnen, widmete sich die Konferenz unter anderem diesem Streitthema - obwohl "die europäischen Prinzipien von Gleichberechtigung und Religionsfreiheit von einer ,Lex Islam‘-Judikatur infrage gestellt werden", wie die Abschlusserklärung ausdrücklich festhält. Soll heißen: Verbote von Kopftüchern wie Minaretten und Gesetze gegen den Gesichtsschleier halten die Prediger für kontraproduktiv, da der Mehrheitsgesellschaft damit zwar gezeigt würde, dass die "eigenen Werte" verteidigt werden, doch bei den Muslimen verstärke sich dabei der Eindruck, dass in puncto Religionsfreiheit mit zweierlei Maß gemessen werde.

Was die Geistlichen nun in ihren Gemeinden den Frauen konkret nahelegen? "Dass das Tragen eines Gesichtsschleiers nicht nötig ist", erklärt eben Baghajati, die selbst stets Kopftuch trägt. Dazu versuche man, die Gläubigen darauf aufmerksam zu machen, dass es mit einer Totalverschleierung äußerst schwerfällt, Brücken zur Gesellschaft zu bauen. Und außerdem, beschwichtigt Schakfeh sogleich, dass sich ohnehin nur wenige Musliminnen in Europa komplett verhüllen. Ein Imam aus Frankreich etwa habe bei der Konferenz vorgerechnet, dass von dort vier Millionen lebenden gläubigen Frauen nicht einmal 400 einen Ganzkörperschleier tragen.

Zumindest das offizielle Österreich steht der Zusammenarbeit der muslimischen Geistlichen wohlwollend gegenüber. Bundespräsident Heinz Fischer schickte für die mittlerweile zum dritten Mal hierzulande stattfindende Zusammenkunft ein Grußbotschaft. Außenminister Michael Spindelegger (VP)wiederum appellierte bei einem Empfang an die religiösen Berater, sie mögen als "Lotsen für den Dialog und die Integration" dienen.

Kritik an Konferenz

Herbe Kritik kam hingegen von der Initiative liberaler Muslime Österreich, kurz ILMÖ genannt, die weite Teile der islamischen Bevölkerung, wie die türkischen Immigranten, nicht vertreten sieht. Sie verweist auf die Gefahr eines politischen Islam, dem Einhalt geboten werden müsse. Es gehe vielmehr darum, endlich Akzente in Richtung eines "Islam mit europäischer Prägung" zu setzen.

Die Konferenz der Imame dagegen verwahrt sich in ihrer Abschlussschrift allein schon gegen das Schlagwort "Islamisierung", weil es zeige, "wie populistische Angstmache salonfähig wird". Immerhin fordern die Geistlichen aber "Role-Models" zur Förderung eines europäischen "Wir-Gefühls" ein sowie "ein eigenständiges Profil" der Muslime und ein stärkeres verantwortliches Engagement in der Gesellschaft.

Der bestbesuchte Workshop in den drei Tagen war übrigens der zum Thema Gewalt. Um speziell Jugendliche besser gegen extremistische Tendenzen zu immunisieren, ist es für die Imame von Bedeutung, den Missbrauch von Versen und Zitaten des Propheten auf einschlägigen Websites aufzuzeigen.

Doch auch an dieser Stelle war Schakfeh sofort bemüht, ebenso darauf hinzuweisen, dass auch "wir oft Gewalt europäischer Gesellschaften in Richtung Muslime" erleben". (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 17.5.2010)