All jenen, die derzeit nicht die Croisette entlangflanieren und weder von der mediterranen Sonne noch vom Blitzlichtgewitter der Paparazzi anlässlich des dieser Tage in Cannes stattfindenden Filmfestivals geblendet werden, seien als Ersatz zwei bibliophile Retrospektiven cineastischer Meisterwerke empfohlen.

45 Jahre nach dem Abbruch mythenumwobener Dreharbeiten exhumierte der Regisseur Serge Bromberg die Reste eines unvollendeten Filmes. Die unveröffentlichten Bilder aus L'enfer/Inferno von Henri-Georges Clouzot dokumentiert Brombergs Recherche, die er 2009 in Form eines Dokumentarfilmes der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, nun in Buchform. Eine Offenbarung für Cineasten und Liebhaber des europäischen Kinos. Die Fragmente präsentieren eine fantastische, an expressiver Malerei orientierte Bildsprache psychedelischen Charakters, die in einer halluzinogenen Ästhetik den Inhalt widerspiegeln sollte: eine aus den Fugen geratene emotionale Beziehungsgeschichte zwischen Erotik, Wahnsinn, Exzess und Askese, wunderbar repräsentiert durch Serge Reggiani und Romy Schneider in ihrer sinnlichen Verwundbarkeit und erotisierenden Körperlichkeit. Den autobiografischen Charakter des Eifersuchtsdramas dekuvriert letztendlich das Faktum, dass Clouzot während des Drehs einer lesbischen Szene einen Herzinfarkt erlitt, der das Ende des Filmprojekts bedeutete.

Selten bleibt ein gesamter Film im Gedächtnis, oft prägen sich einzelne Szenen, einzelne Bilder im Bewusstsein des Kinobesuchers ein. Fotos von Landschaften, Porträts und Blicken bleiben in Erinnerung. Die Fotografen der Agentur Magnum sind vor allem für deren Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten berühmt. Das sorgsam edierte Buch Magnum am Set präsentiert in zwölf exemplarischen Bildstrecken den spezifisch dokumentarischen Blick, den Fotografen wie Cartier-Bresson, Erich Lessing, Erwitt, Robert Capa, Eve Arnold oder Inge Morath im Umgang mit Filmschaffenden vor und hinter der Kamera geprägt haben. Ihre am Set entstandenen Filmstills erhöhten Stars wie Liz Taylor, Marilyn Monroe, Gregory Peck, Orson Welles, Antony Perkins, James Dean et alii zu zeitlosen Ikonen. (Gregor Auenhammer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 15./16.05.2010)