Giorgio de Chirico: "Venezia" (1966), nach Ausstellungen in Paris und Bologna (2009) jetzt im Dorotheum.

Fotos: Dorotheum

Als Mann mit einem Pferdekopf und großer Nase, den Gäulen seiner Bilder nicht unähnlich, beschrieb ihn George Grosz: Giorgio de Chirico, den Hauptvertreter der 1916/17 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Alberto Savinio (Andrea de Chirico) und dem italienischen Futuristen Carlo Carrà begründeten "scuola metafisica" .

Diese Strömung, in der sich reale und imaginäre Elemente zu traumähnlichen Szenarien verwoben, nahm mit dem charakteristischen magisch-metaphysischen Stimmungsansatz den Stil der Surrealisten um ein gutes Jahrzehnt vorweg. Und beeinflusste nicht nur Zeitgenossen, sondern auch nachfolgende Künstlergenerationen, wie eine derzeit in Florenz laufende Ausstellung (De Chirico, Max Ernst, Magritte, Balthus. Der Blick ins Unsichtbare, bis 18. Juli, Palazzo Strozzi) zeigt.

Seine Berühmtheit verdankt de Chirico dem Frühwerk, das für seinen Bewunderer André Breton nur von 1912 bis 1917 dauerte. Aus Sicht des Künstlers erfolgte 1919 ein Stilwechsel und eine Orientierung am akademischen Stil, die tatsächliche Zäsur erfolgte hingegen 1930 mit der Abkehr von der metaphysischen und der Hinwendung zu einer barock-pathetischen Malweise. Die ließ sich allerdings weniger gut verkaufen, und so kopierte der Maler dann doch die besser nachgefragten Werke der metaphysischen Epoche. Das Ergebnis: Exakte Datierungen sind nicht immer zweifelsfrei feststellbar, und die akkurate Dokumentation auf dem Kunstmarkt ein essenzielles Zünglein an der Waage. Die Liste der zehn höchsten erzielten Auktionsergebnisse spricht für sich, umfasst überwiegend zwischen 1912 und 1920 entstandene Werke.

Im Februar vergangenen Jahres übertraf das 1918 ausgeführte Il Ritornante (Der Rückkehrer) aus der Sammlung Yves Saint Laurent & Pierre Bergé bei Christie's in Paris mit netto 9,8 Millionen Euro den Rekord von 2004 (5,36 Mio. Euro für Il grande metafisico, Christie's New York) bei weitem. Ungeachtet dessen wird aber der wesentliche Umsatzanteil mit deutlich günstigeren Verkäufen erzielt: 90 Prozent der weltweit in Auktionssälen verzeichneten Besitzerwechsel liegen laut "Artprice" unter 145.000 Euro und 80 Prozent noch unter 66.000 Euro.

Insofern setzt das Dorotheum aktuell verhältnismäßig hohe Erwartungen an zwei dem Spätwerk zugehörige Gemälde, die am 20. Mai in der Sektion Klassische Moderne auf dem Prüfstand stehen: Zwei an einem Meeresstrand galoppierende Pferde von 1959 sollen zwischen 100.000 und 150.000 Euro bringen. Die aus dem Jahr 1966 stammende Venedigvedute aus einer Mailänder Privatsammlung - zuletzt wechselte es 2000 bei einer Auktion in Italien für 114.000 Euro den Besitzer - gar 220.000 bis 280.000 Euro.

Im Windschatten einer weiteren Ausstellung (Die Natur, wie sie de Chirico sieht, Rom, Palazzo delle Esposizioni, bis 11. Juli), die das gesamte Œuvre beleuchtet, wollen die Experten in Wien wohl potenzielle Begehrlichkeiten ihrer italienischen Klientel bedienen. Mit einem Anteil von 44 Prozent am weltweiten Umsatz ist Italien ohnedies seit jeher die führende Nation. (kron, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 15./16.05.2010)