Die Ära dauerte exakt dreizehn Jahre und neun Tage: Am 2. Mai 1997 wurde Tony Blair, damals 43-jährig, jüngster Premierminister Großbritanniens seit fast 200 Jahren. Am 11. Mai 2010 übernahm David Cameron, ebenfalls 43 und noch um ein paar Monate jünger als Blair damals, das Amt von dessen glücklosem Nachfolger Gordon Brown. New Labour und ihr seinerzeit überschäumend gefeierter "dritter Weg" waren endgültig Geschichte, ein quasi epochaler Wechsel zu einer aus der Not geborenen Koalitionsregierung aus Tories und Liberaldemokraten vollzogen. Die Frage ist nun, was kommt damit auf Großbritannien (und Europa) zu?

So wie sich die Lage derzeit darstellt, steht den Briten nach den Betonschädeln der alten Labour-Schule, dem exzessiv marktliberalen Thatcherismus und einem von Blairs intelektuellem Einflüsterer Anthony Giddens ersonnenen Mittelpfad ein steiniger, weitgehend ideologiefreier vierter Weg bevor: jener drastischer Einsparungen, budgetärer Konsolidierung und politischer Bescheidenheit. Die Zeit großer Worte scheint vorüber, jene kleiner Beträge angebrochen.

So gesehen ist die fünfprozentige Gehaltskürzung, die die neue Regierung gleich bei ihrer ersten Kabinettssitzung am Donnerstag beschloss, paradigmatisch - und doch nicht viel mehr als ein erster symbolischer Schritt. Denn die Rede von einem "historischen, ja seismischen Ruck, der die politische Landschaft in Großbritannien erschüttern könnte" (David Cameron), klingt eher nach einem Pfeifen im Wald als nach einer durch Tatsachen gestützten Prognose.

Außenpolitisch jedenfalls scheint dem ersten Anschein nach alles beim Alten geblieben zu sein: William Hague, der neue Chef im Foreign & Commonwealth Office, macht seine erste Dienstreise nach Washington. Den Krieg in Afghanistan hat er zu seiner obersten Priorität erklärt - und dazu, dass das Verhältnis zu den USA ein enges, aber nicht "sklavisches" sein werde. Ihre Atomwaffen wollen die Briten behalten, und damit ebenso ihren souveränen Raum für außenpolitische Manöver. In Europafragen ist Hague als Skeptiker aufgefallen, aber neben gelegentlichem Knurren in Richtung Brüssel wird sich auch in London schnell jener politische Pragmatismus einstellen, der die EU schon so manche Krise überstehen hat lassen. Interessant wird sein, wie der Tory mit der EU-Außenministerin, der roten Lady Ashton, zurecht kommt.

Die Nagelprobe für die Koalition ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Zur Budgetkonsolidierung muss die neue Regierung umgehend Dutzende Milliarden Pfund aufstellen. Woher das Geld kommen soll, ist noch unklar. Aus koalitionsinternen Erwägungen - die LibDems vertreten über weite Strecken sozialdemokratische Positionen - dürften wohl nicht nur Massensteuern infrage kommen, sondern auch Erbschaftssteuer oder eine Bankenabgabe. Das wird von der "Promenadenmischung aus Bulldogge und Chihuahua" , so nennt der exzentrische Londoner Bürgermeister Boris Johnson die neue Regierung, einiges an politischer Widerstandskraft einfordern.

Für Europa wird das alles so oder so unerfreuliche Auswirkungen haben. Denn nach den griechischen Kalamitäten und der spanischen Budget-Streichorgie reiht sich auch der ehemalige europäische Wirtschaftswachstumsmeister in die Reihe der klammen EU-Staaten ein. Das verheißt für die kommenden Jahre eine lange, lange Stagnation - bestenfalls. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2010)