Allmählich werden die Versuche der Medien, unter Missbrauch der Person Karl-Heinz Grassers den Eindruck zu erzeugen, in Österreich herrschten griechische Verhältnisse, unerträglich. In den letzten Wochen hat diese Sudelkampagne gegen einen Menschen mit supersauberer Weste die Qualität einer Hexenjagd erreicht. Der ehemalige Finanzminister im Buwog-Sumpf, hieß es in einer Titelgeschichte von "profil" Ende April, und: So wurde im Finanzministerium getrickst und geschoben - im Haus des besten Finanzministers aller Zeiten! Und was fanden die "Salzburger Nachrichten" am 3. Mai hinter der Fassade? Fragen, nichts als Fragen. Wie konnte eine Person vom charakterlichen Zuschnitt Grassers jemals Minister werden? Wie kam es, dass ein Blender wie KHG jahrelang von breitesten Bevölkerungskreisen als kompetenter Politiker gefeiert wurde? Welcher Teufel hat die ÖVP geritten, dass sie diesen Mann 2006 allen Ernstes als Vizekanzler installieren wollte? Andreas Khol war's nicht, Dichand vielleicht? Der schillernd-unseriöse Ex-Minister KHG hat heute noch seine Fans, was sich die "SN" nur auf dieselbe Weise erklären konnten, wie viele Beobachter den Ursprung der griechischen Malaise: Der Schein schlägt das Sein.

Ginge es nur um KHG, könnte man noch sagen, selbst schuld, wenn er seinen charakterlichen Zuschnitt nicht rasch genug von Jörg Haiders Günstling auf seriösen VPler ändern konnte. Allmählich greift diese Sudelkampagne aber auch auf die Justiz über, deren Ruf bisher ebenso über jeden Zweifel erhaben war wie die Asylpolitik der Innenministerin. Obwohl Grasser den Verdacht auf Bestechung als "bodenlose Frechheit" zurückgewiesen hat - für den Verdächtiger gilt die Unschuldsvermutung - hört der Druck auf die Justiz nicht auf, tätig zu werden. Einen Kassasturz beim Ex-Finanzminister forderte am Samstag der "Kurier", und er wusste auch, wer ihn durchführen soll: Justiz & Politik müssen bei der Aufklärung endlich Tempo machen, so als würde man sich dort nicht ohnehin im Interesse der Sauberkeit zersprageln. Sogar "Die Presse" äußerte am Sonntag den schändlichen Verdacht: Die Justiz ist säumig: Für Prominente wie ihn gel- ten tatsächlich andere Gesetze.

Dabei weiß "Die Presse" genau, dass es gar nicht schneller gehen kann. Der Fall Grasser ist "nach oben" berichtspflichtig. Und das kann dauern. Nur weil eine Zeitung der Meinung ist, Grassers Bemühungen gleichen dem Versuch, auf einer gärenden Mülldeponie mit feinem Rasierwasser zu punkten, wird die Gewürzmühle der Justizministerin nicht schneller mahlen - seit Monaten wird ermittelt. Doch Grasser musste bisher nicht aussagen. Wozu auch, bei seiner Weste!

Wie anders könnte es heute um KHG bestellt sein, hätte es nicht den schon angedeuteten Verrat Andreas Khols gegeben. Im Jänner 2007 wollte Wolfgang Schüssel Wilhelm Molterer zum Innenminister, Grasser aber zum Finanzminister und Vizekanzler machen, erinnerte sich "Die Presse" an anderer Stelle. Der zu diesem Zeitpunkt eben erst der ÖVP beigetretene Darling der Nation wäre langfristig wohl auch Parteichef geworden, was Khol, vormals öffentlicher Bewunderer von Grassers Talenten, verhinderte, der den Darling der Nation damit womöglich erst in die geschäftlichen Fänge seines Trauzeugen trieb. Die Partei müsste Khol dafür täglich die Füße küssen, wenn man bedenkt, welche Schlagzeilen Grasser seither produziert hat. Andererseits könnte er noch heute eine supersaubere Weste haben und einen unangefochtenen charakterlichen Zuschnitt. Stattdessen hat er unter bodenlosen Frechheiten bei Gefahr der Verarmung zu leiden. Hat Grasser die falschen Freunde, ist es Chuzpe oder ein kolportierter Ehevertrag, der ihn angeblich verpflichtet, eine Million Euro im Jahr heranzuschaffen? sorgt sich "Die Presse" und fragt zu Recht: Wer kann da noch zimperlich beim Geldverdienen sein?

Mit dem einzigen Lichtblick in dieser gehässigen Kampagne tröstete am Wochenende "Österreich". KHG & Fiona: Logieren künftig am Wörthersee, versprach das Blatt. Wer in Wien nur luxuriös ein Dachgeschoss-Domizil am Burggarten bewohnt, braucht eine edle Altbauvilla direkt am Wörthersee. Fest steht: Grasser wird sich in der Sommerresidenz wohlfühlen.

Das ist doch tröstlich. Und die Bagatellen um Korruption wären leicht aus der Welt zu schaffen: Cato müsste nur den Ex-Darling der Nation auf eine eidesstattliche Erklärung einladen. Dann wäre auch die Justiz entlastet. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 11.5.2010)