Der zweiten Säule, dem Pensionskassensystem, wurde durch ein vom Anfang her mangelhaftes Gesetz und durch eine spätere, entschädigungslose Enteignung im Jahre 2003 schwerer Schaden zugefügt. Die Finanzkrise und Wirtschaftskrise haben diese Mängel an den Tag gebracht. Die Pensionskassenberechtigten verloren bis zu 45 Prozent ihrer angesparten Ansprüche. Wenn wir diese Mängel des Gesetzes nicht beheben, ist das System unrettbar verloren - dann gibt es eben diese zweite Säule in Österreich nicht mehr. Wie wichtig diese aber für die Sicherung des Lebensstandards in der Pension und zur Finanzierung auch der Pflegeerfordernisse im Alter ist, braucht wohl nicht betont zu werden.

Staatssekretär Reinhold Lopatka hat die dramatisch steigende Bedeutung der zweiten Säule zur Verhinderung von Altersarmut erkannt - aber mehr nicht (siehe Lopatkas Kommentar: "Warum die Pensionskassen die Zukunft sind"). Die notwendigen Maßnahmen, wie sie vom Schutzverband der Pensionskassenberechtigten und vom Seniorenrat erarbeitet wurden, bleiben unberücksichtigt. Der diskutierte "Sozialpartner-Entwurf" zur Verbesserung des Gesetzes ist unzulänglich.

Die zweite Säule stützt sich auf Kapitaldeckung. Kapitalgedeckt heißt angespart und zwar freiwillig. Die Bereitschaft dazu ist bei jedem Menschen risikogesteuert: Je höher das Risiko, Kapital und Erträgnisse zu verlieren, umso geringer wird die Sparbereitschaft sein. Ohne eine verlässliche, einheitliche Risikoprämie - das Pauschalsteuermodell des Seniorenrates - wird es diese Eigenvorsorge in Zukunft nicht geben.

Reinhold Lopatka argumentiert in seinem Steuerbeispiel für "hohes Risiko für Vielsparer - geringeres Risiko für Wenigsparer", in dem er den höheren Abzinsungseffekt bei höherem Deckungskapital als soziales Unrecht deklariert. Wie geht das mit der Leistungsgerechtigkeit zusammen, die Josef Pröll auf die Fahnen der ÖVP geschrieben hat? Wer mehr spart, erhält auch später mehr, er riskiert ja auch viel mehr. Reinhold Lopatka ein Nivellierer?

Zumindest wurde die Verbesserungsfähigkeit des gegenwärtigen Pensionskassensystems zugestanden, aber ein wesentlicher Punkt ausgespart: Das Steuerrecht unterscheidet derzeit noch nicht zwischen leistungsorientierten und beitragsorientierten Pensionsansprüchen.

Während bei leistungsorientierten Ansprüchen der frühere Arbeitgeber durch eine Nachschussverpflichtung gegenüber der Pensionskasse die Erfüllung seines Zahlungsversprechens garantiert, ist im beitragsorientierten System das Zahlungsversprechen der Pensionskasse ausschließlich von deren Veranlagungserfolg abhängig und somit allen Risiken des Kapitalmarktes unterworfen.

Beide Ansprüche undifferenziert als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu behandeln ist schlichtweg verfassungswidrig. Die Frage ist gerichtsanhängig.

So versteht sich das Pauschalsteuermodell des Seniorenrates als Geste an jene, die im beitragsorientierten System ihre Zukunftsvorsorge ohne Garantien, Haftungen und Inflationsschutz auf eigenes Risiko angespart haben. Der Hälftesteuersatz ist lediglich der Abzinsungseffekt aufgrund der "Alles auf einmal" -Vorauszahlung. Und wenn der Staat diese Geste zum Dauerrecht macht, bleibt er ewiger Gewinner, weil alle zukünftigen beitragsorientierten Rentenansprüche immer wieder ihre Steuerschulden im Voraus entrichten werden.

Nachdem der Staat durch die einseitige, nachträgliche Beseitigung der Mindestertragsgarantie das System schwer beschädigt hat, wäre es geboten, den durch die Finanzmarktkrise(n) schwer Geschädigten in einem Win-win-Deal entgegenzukommen. (Andreas Khol, DER STANDARD, Printausgabe, 11.5.2010)