Wien - Österreich wird sich am 750 Milliarden Euro schweren "EU-Schutzschirm" voraussichtlich mit Haftungen im Ausmaß von bis zu 12,5 Mrd. Euro beteiligen. Allerdings ist der genaue Anteil noch unklar. Anders als bei der Griechenland-Hilfe sollen neben den 16 Euro-Ländern diesmal nämlich auch Schweden und Polen mit an Bord kommen - wodurch der Anteil der Euro-Staaten etwas geringer ausfallen wird.

Formale Voraussetzung für die österreichische Beteiligung ist ein Parlamentsbeschluss, denn derzeit gibt es keine Rechtsgrundlage für derartige Haftungen. Als "Trägerrakete" könnte das "Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz" dienen, das wegen der Aufstockung der Griechenland-Hilfe auf 2,23 Mrd. Euro ohnehin novelliert werden muss. Der Gesetzesentwurf wurde bereits im Parlament eingebracht und könnte um Bestimmungen ergänzt werden, die auch eine Beteiligung am Euro-Schutzschirm ermöglichen.

Faymann: "Wer zahlt die Rechnung?"

"Die Feuerwehraktionen zur Rettung der Währung, der Banken und der Wirtschaft seien notwendig" heißt es in einer Aussendung von Kanzler Werner Faymann (SPÖ). Es sei gut " dass wir in so wenigen Tagen eine Rettungsaktion zustande bringen konnten.." Jetzt gehe es ab sofort aber auch darum, wer die Bürger Europas vor dem Sozialabbau rette: "Wer zahlt zum Schluss die Rechnung?" Er hoffe, so der Kanzler in der Aussendung, "dass die gleiche Einigkeit vorhanden ist, wenn es nun darum geht, Spekulation wie zum Beispiel so genannte Leerverkäufe zu verbieten, die Finanztransaktionssteuer und die Bankenabgabe rasch einzuführen, eine europäische Ratingagentur zu schaffen. Es muss dafür der gleiche Zusammenhalt und die gleiche Solidarität erkennbar sein wie bei den Rettungsaktionen für die gemeinsame Währung." Die Bevölkerung frage sich nun zu Recht, ob sie auch davor gerettet werde, wenn Sozialabbau drohen. Dagegen müsse nun genauso entschlossen vorgegangen werden.

Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hat sich zufrieden mit der Reaktion der Finanzmärkte gezeigt. An der positiven Reaktion der Märkte gebe es "kein Deuteln und keine Unsicherheit." Im Unterschied zur Griechenland-Krise habe die EU sehr vor- und frühzeitig einen Beschluss mit ganz konkreten Zahlen gefasst und ein Riesenpaket an Haftungen auf den Tisch gelegt. "Wahrscheinlich haben wir bei Griechenland zu lange mit den konkreten Maßnahmen gezögert, sodass auch das Rating entsprechend heruntergestuft wurde, sodass auch die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands sehr spürbar und hautnah war", sagte Spindelegger. Technische Details des Rettungsschirms seien zwar noch auszumachen, es sei aber "ein gutes Fundament da".

Sonderpräsidiale am Dienstag

Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) wird am Dienstagvormittag die Parlamentsparteien über den Euro-Schutzschirm und die dafür nötigen Gesetzesänderungen informieren. Stattfinden wird das Gespräch im Rahmen einer "Sonderpräsidiale", also einer Sitzung der drei Nationalratspräsidenten mit den Klubobleuten der Fraktionen. Pröll habe bei Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) nachgefragt, wie er die Parteien am besten über die EU-Beschlüsse vom Wochenende informieren könne, hieß es aus Finanzministerium und Parlament. Angesichts der Dringlichkeit der Situation habe man sich für eine Sondersitzung der Präsidialkonferenz entschieden. Sie wird um 9.00 Uhr in Prammers Büro stattfinden.

BZÖ will EuGH anrufen

Von der Opposition wird sich Pröll allerdings einiges anhören können: FPÖ und BZÖ lehnen den "Euro-Schutzschirm" ab, die Grünen wollen das Paket zumindest prüfen.

BZÖ-Obmann Josef Bucher kündigte am Montag den Gang zum Verfassungsgerichtshof und zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg an. Er sieht mit dem Hilfspaket die "No-Bailout-Klausel" verletzt, die es Euro-Ländern untersagt, für die Schulden anderer EU-Länder zu haften. "Der österreichische Steuerzahler soll derzeit die Welt retten, aber wer rettet den Steuerzahler?" so Bucher.

Grüne wollen EU-weite Spekulationssteuer

FP-Chef Heinz-Christian Strache wertet das Hilfspaket als "volkswirtschaftlich schädliche Umverteilung". Betroffen seien in erster Linie Länder mit seriöser Budgetpolitik, die nun mit etlichen Milliarden für die Versäumnisse anderer Länder zur Kasse gebeten würden. Strache kritisierte den Plan als "eine Massenenteignung und eine Vermögensumverteilung nach Südeuropa". Profiteure dieser Aktion seien schließlich die Banken, die munter weiter spekulieren könnten.

Die Grünen wollen das Paket zumindest prüfen. Einen "Blankoscheck" könne es dafür aber nicht geben, so Bundessprecherin Eva Glawischnig am Montag. Sie fordert, dass im Rahmen des Hilfspakets auch "unverantwortliche Spekulationsgeschäfte" abgestellt werden. Hier habe es Österreichs Regierung seit eineinhalb Jahren verabsäumt, entsprechende Maßnahmen in der EU einzufordern. Glawischnig pocht insbesondere auf eine EU-weite Spekulationssteuer mit deren Einnahmen derartige Hilfspakete finanziert werden sollen.

"Zahlungsbilanzunterstützung"

Mit dem in der vergangenen Nacht beschlossenen Hilfspaket stellt die EU sicher, dass notleidende Mitgliedsstaaten im Fall des Falles rasch und kostengünstig Kredite zur Verfügung gestellt bekommen. Vorkommnisse wie im Fall Griechenlands, dessen Kredite wegen der Schuldenkrise und damit einhergehender Spekulation so teuer wurden, dass der Staat auf den freien Kapitalmärkten de facto kein Geld mehr aufnehmen konnte, sollen damit verhindert werden. Künftig gibt es für solche Fälle einen geordneten Mechanismus und einen Kreditrahmen von bis zu 750 Mrd. Euro.

Aufgebracht werden die Kredite im Anlassfall zu einem geringen Teil aus dem EU-Budget, wo dafür 60 Mrd. Euro zur Verfügung stehen (unter dem Titel "Zahlungsbilanzunterstützung"). Bis zu 250 Mrd. Euro wird der Internationale Währungsfonds (IWF) beisteuern. Den Löwenanteil soll allerdings eine noch zu gründende, mit Haftungen der EU-Staaten unterlegte Finanzierungsgesellschaft aufbringen: Diese soll am Markt Kredite im Ausmaß von bis zu 440 Mrd. Euro aufnehmen und an notleidende EU-Staaten weitergeben können.

Umweg

Hintergrund dieser Konstruktion: Der EU-Vertrag verbietet der EU und den Euro-Staaten direkte Haftungen für die Schulden anderer EU-Länder (No-Bailout-Klausel), daher der Umweg über eine auf drei Jahre befristete Finanzierungsgesellschaft. Für deren Kredite wird Österreich gemeinsam mit den anderen beteiligten Ländern garantieren, wobei der Anteil der einzelnen Länder nach dem selben Schlüssel berechnet wird, wie bei der Griechenland-Hilfe. An dieser war Österreich mit 2,86 Prozent beteiligt, was Haftungen von maximal 12,5 Mrd. Euro bedeuten würde. Weil nun auch die Nicht-Euro-Länder Schweden und Polen mit an Bord kommen sollen, dürfte sich diese Summe aber noch etwas reduzieren. (APA/red)