Nana Heymann: "Generation Wickeltasche. Die neue Lust am Muttersein - Begegnungen mit jungen Frauen"
Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf
Ca. 250 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3-89602-950-8
9,90 EUR (D)

Cover: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Wieder so ein Buch, das gleich eine neue Generation ausrufen will, nur weil die Autorin und ihr kosmopoliter FreundInnenkreis auf die gleichen Fashion-, Bio und Handymarken steht - nur dass es in diesem Fall Babies mit so illustren Namen wie Lilly, Henrik, Maya oder Fritz sind. Ok, das wäre eine zu böse Auslegung für Nana Heymanns Versuch, in "Generation Wickeltasche" einer gesellschaftlichen Erscheinung habhaft zu werden, die da heißt: Hippe Jung-Mütter, deren Nachwuchs wie ein Lifestyle-Accessoire an ihnen baumelt.

Selbstouting

Zumindest so stellen es SoziologInnen und FamilienexpertInnen im deutschen Feuilleton dar, wenn sie über das Phänomen der sogenannten "Szene-Mütter" herziehen. Deshalb beginnt auch Heymanns Zusammenstellung von Mütter-Erfahrungsberichten mit einem Selbstouting: Sie selbst sei so eine "Prenzlauer Berg-Mutter", jene Sorte Elternteil, die von hippen Stadtzeitungen schon einmal zum Lieblingsfeind der BerlinerInnen erkoren wird.

Heymann kritisiert, dass in der Diskussion um dieses Klischeebild aber vor allem die Stimmen der Mütter zu kurz kommen - eine Lücke, die sie mit ihrem Buch zu füllen gedenkt. Sie will, und das ist sympathisch, diese Frauen in Schutz nehmen, schließlich weiß sie aus eigener Erfahrung, dass Mütter in unserer heutigen Zeit nichts richtig, aber alles falsch machen können. Getroffen hat sie also 33 Frauen und nach ihrer Einstellung zu Mutterschaft und den Veränderungen in ihrem Leben befragt. Was die Frauen eint, ist auf den ersten Blick nicht so klar: die meisten haben kreative Berufe wie Fotografin, Modedesignerin oder Innenarchitektin, andere sind aber auch arbeitslos, Sachbearbeiterin oder Altenpflegerin. Die einen berichten über den Moment des Testens der Schwangerschaft, die anderen von Luxus-Kaufräuschen im Internet, die nächsten wieder über Mobbing nach der Rückkehr als junge Mutter am Arbeitsplatz. Die "Generation" im Titel dient hier vor allem als Verkaufsargument - das merkt man schnell.

Soziale Fragen ausgeklammert

Was Heymann ausblendet ist, dass gehobenerer Lifestyle auch am "Pregnancy Hill", so die etwas diffamierende Wortschöpfung für Prenzlauer Berg, erst durch das nötige Kleingeld wahr wird.  Es sind nicht die sozialen Fragen, wie Diskriminierung am Arbeitsplatz oder die ungerechte Aufteilung von Erziehungszeit zwischen den Geschlechtern, die als Basis für die Analyse einer angeblichen Generation dienen. Jener Beitrag über die Frau, die erst ihre Position und dann ihren Job verliert, weil sie ein Kind bekommen hat, wird mit "das Opfer" überschrieben, ein anderer Text, in der der Freund nichts anderes als einen Sohn bekommen will mit "Krampf der Geschlechter".

Stattdessen laufen sie als Überstreuthemen in einer Ansammlung von Befindlichkeitsergüssen "irgendwie" hipper Jungeltern, auf deren Distinktionsmerkmale man als LeserIn vergeblich wartet. Zwar ist von einer coolen Musikerin die Rede, von der die ehemals Popmusik-Beflissene nichts mehr mitgekriegt hat (oh Schande!), aber um wen es sich bei dem neuen Hype handelt, wird uns nicht verraten.

Die Machtfrage wird in "Generation Wickeltasche" nicht gestellt, dafür ist sich Nana Heymann definitiv zu cool. An gewissen Stellen greift die Autorin dann aber doch ein in die Geschichten und kritisiert mitunter die zu Tage beförderten Einstellungen der Interviewten. Eine Mutter, die ihr Kind schweren Herzens aus dem englischsprachigen Gesangsunterricht rausgeben muss, weil er zusammen mit dem spanisch-sprachigen Kindergarten zu einer Sprachhemmung beim Kleinkind führt, tadelt Heymann und rät Eltern wie Kathrin, das Konzept "lebenslanges Lernen" mit "lebenslangem Lockermachen" zu überschreiben, weil der Wert von Erlerntem sich eben erst im Laufe eines Lebens erweisen würde.

Neue Autoritäten

Wirklich Interessantes erfährt frau beim Lesen von "Generation Wickeltasche" eher nebenbei, zum Beispiel, was der Status Quo bei Säuglingspflege im neo-bürgerlichen Sinn ist. So werden die eigenen Großeltern für ihre Geschenke (Strampler aus Polyester und Schokolade für Kleinkinder!) als inkompetent abgestraft, ebenso wie für ihre Ansichten zum Stillen, wonach drei Monate reichen würden. Die WHO sagt etwas anderes und wer sollte sich über die Empfehlungen der WHO schon hinwegsetzen? Die studierte Bobo-Mama sicher nicht.

Dass Wissenschaft und Ratgeberliteratur einen immer größeren Stellenwert in Erziehungsfragen einnehmen, auch davon zeugt "Generation Wickeltasche" - vermutlich unfreiwillig. Viel ist von Selbstzweifeln die Rede, aber nicht so sehr bedingt durch die Erwartungen und Strukturen der Gesellschaft, sondern durch jene der eigenen "Eltern-Szene". Wirklich cool, das sind eben immer nur die anderen. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 11.5.2010)