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EU-Ratspräsident Van Rompuy kündigte in der Nacht auf Samstag die Schaffung eines "EU-Stabilisierungsmechanismus".

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Dicke Luft: Die Verhandlungen zwischen den Staatenlenkern der Eurozone bereiteten Frankreichs Nicolas Sarkozy (li.) und Italiens Silvio Berlsuconi sichtlich wenig Freude.

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Brüssel - Die Finanzminister der 27 EU-Staaten beraten am Sonntag, ab 15.00, bei einer Sondersitzung in Brüssel über einen Notfallfonds für Euro-Länder. Darauf hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten in der Nacht zu Samstag geeinigt. Mit dem Fonds könnten nach Griechenland auch andere hoch verschuldete Länder gerettet werden. In den vergangenen Tagen waren Spanien, Portugal und Italien an den Finanzmärkten stark unter Druck geraten.

Für den Notfallfonds könnte die EU-Kommission zinsgünstige Kredite an den Finanzmärkten aufnehmen. Diplomaten sprachen von bis zu 70 Milliarden Euro. Die Europäer erhoffen sich davon ein starkes Signal gegen Spekulanten, bevor am Montag die Märkte öffnen.

Van Rompuy: Vorschlag für "EU-Stabilisierungsmechanismus"

Die EU wird im Zuge ihrer Rettungsaktion für den Euro nach Worten des ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy einen permanenten Krisen-Mechanismus für die Eurozone schaffen. Van Rompuy sagte nach dem Euro-Sondergipfel in der Nacht auf Samstag, die Kommission werde für das Sondertreffen der EU-Finanzminister am Sonntag einen Vorschlag für einen "europäischen Stabilisierungsmechanismus" unterbreiten.

"Wir werden die Stabilität und die Integrität der Eurozone gewährleisten", versicherte Van Rompuy. Die Eurozone sei derzeit mit einer "schwerwiegenden Lage" konfrontiert. Alle 16 Staats- und Regierungschef der Euro-Länder seien sich darin einig, "dass die ganze Palette der Möglichkeiten genutzt wird, um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten." 

Berlusconi und Sarkozy sagen Russland-Reise ab

Italiens Premierminister Silvio Berlusconi hat am Samstag eine geplante Russland-Reise gestrichen, um eine Konsultationsrunde mit den EU-Partnern über eine Lösung für die Euro-Krise fortzusetzen in die Wege zu leiten. Dies teilte Berlusconis Büro am Samstag mit. Der italienische Premierminister hätte an den Feierlichkeiten für den 65. Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland teilnehmen sollen.

Auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat wegen der Finanzkrise kurzfristig seine Teilnahme an der für Sonntag geplanten Moskauer Feier zum 65. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland abgesagt. Das teilte die französische Botschaft in Moskau am Samstag mit. An den Reiseplänen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ebenfalls nach Russland kommen sollte, habe sich angesichts nichts geändert, hieß es in Berlin.

Die Staats- und Regierungschefs der 16 Euro-Länder planen am Sonntag einen Sondergipfel der EU-Finanzminister. Der Gipfel soll die EU-Finanzchefs beauftragen, noch vor der Öffnung der asiatischen Märkte am Montag ein klares Signal für die Eurozone zu setzen. Hintergrund ist offenbar ein befürchteter massiver Verkauf europäischer Staatsanleihen auf den internationalen Märkten.

Berlusconi hatte in der Nacht auf Samstag die Teilnehmer des Euro-Gipfels zu einem verantwortungsvollen Handeln aufgerufen. Er sprach von einer "Notsituation", daher müssten Entscheidungen getroffen werden.

"Wir werden den Euro verteidigen, egal was dies erfordert", unterstrich EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso. Finanziellen Umfang oder Details des Krisen-Mechanismus wollte Barroso nicht nennen. Er könne nur sagen, dass der Mechanismus von den bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Gemeinschaftshaushalt ausgehe, sagte er. Den Vorschlag wolle die EU-Kommission erst am Sonntag den Finanzministern vorlegen und nicht vorher öffentlich machen.

Juncker: "Weltweit organisierte Attacke gegen den Euro."

Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker sprach von einer ernsthaften Gefährdung der Gemeinschaftswährung. "Wir sind der Auffassung, dass nicht nur Griechenland, Spanien, Portugal und Italien unter Angriff" stehen, sondern "dass die gesamte Eurozone hier bedroht wird", erklärte Juncker zum Abschluss des Krisengipfels der Euro-Staaten in Brüssel. "Es geht hier um eine weltweit organisierte Attacke gegen den Euro."

Der luxemburgische Ministerpräsident erklärte in seiner Eigenschaft als Eurogruppen-Vorsitzender weiter, er erwarte, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch vor Montagmorgen über eine Beteiligung an dem Stabilisierungsmechanismus entscheiden werde. Über die Form werde die EZB selbst entscheiden: "Ich maße mir nicht an, der Europäischen Zentralbank jetzt Zielvorgaben zu geben für das, was sie am Samstag, Sonntag oder vor Montag früh entscheiden wird", sagte Juncker.

"Die Eurozone macht die schwerste Krise ihrer Geschichte durch. Wir werden alles machen, um die Stabilität und Einheit des Euro zu erhalten und sind absolut entschlossen, gegen die Spekulanten zu kämpfen", bekräftigte der französische Präsident Nicolas Sarkozy. "Heute ist die Stunde der Wahrheit für die Eurozone. Ab sofort werden die Spekulanten bezahlen müssen", sagte er. Die Krise sei "ernst" und "systemisch". Wenn die Börsen am Montag öffnen, werde Europa bereitstehen, um den Euro zu verteidigen. "Der Euro ist Europa, wir können ihn nicht den Spekulanten überlassen. (...) Wir haben beschlossen, die Eurozone mit einer wahrhaften Wirtschaftsregierung auszustatten."

Berlusconi: Müssen "gesunden Menschenverstand" walten lassen

"Wir werden Gemeinschaftsinstrumente ergreifen, um uns gegen Spekulationen zu wehren", pflichtete auch Merkel bei. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi appellierte, verantwortungsvoll zu handeln. "Wir befinden uns in einer Notsituation, daher ist es notwendig, Entscheidungen zu treffen." Er rief die Verantwortlichen der Eurozone auf, "gesunden Menschenverstand" walten zu lassen.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hält es trotz rasanter Maßnahmenpakete für "nicht wahrscheinlich, dass die Spekulation bis Sonntagabend abgeschafft wird". Die EU-Finanzminister würden am Sonntag einen Krisenmechanismus beraten, und dabei "wegkommen vom Instrument bilateraler Hilfen hin zu Gemeinschaftsmaßnahmen". Faymann verwies darauf, dass "natürlich eine Notsituation" insofern auch aufgrund der Lage in Griechenland gegeben sei und "wir sehr stark der Spekulation ausgeliefert sind". Allerdings sei das Thema "Spekulation der Finanzmärkte, ausgehend von Ratingagenturen und Finanzjongleuren, nicht innerhalb der nächsten 48 Stunden" zu lösen. Dies solle beim EU-Gipfel im Juni erfolgen. (APA)