Fragliche Freizeitvergnügen oder auch nur eine Taktik gegen Drop Sculptures im öffentlichen Raum: Mike Bouchets Indoor-Golfing "Retreat".

Foto: O.O.

Aufgebaut hat der Künstler diese im neuen zentralen Domizil der Bawag Contemporary.

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Wien - "Hier, nehmen Sie den Schläger und hauen Sie zu! Nein, kräftig! Schauen Sie, so!" Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig es bedarf, um Menschen für interaktive Kunst zu begeistern. Nicht nur anfassen, was ja schon supertoll ist, sondern sogar mitmachen. Immer schön drauf hauen auf den hölzernen Koloss!

"Die Leute können sich als Teil der Arbeit fühlen" : Künstler Mike Bouchet ist der Animateur in diesem garstigen Spiel. Er hält einem den Golfschläger hin und drischt selbst tiefe Kerben in das weiche Holz:eine rund geformte menschliche Figur. Nein, die an eine Henry Moore-Skulptur erinnernden Liegende sei kein Frauenkörper, vielmehr "eine abstrakte Figur" kommentiert Bouchet Fragen. "Es gibt kein Einfühlen in androgyne Figuren" , klärt ein Plakat auf. Das nimmt Hemmungen.

"Grab your tool and fuck it up!" wird die als Indoor-Golfanlage getarnte und mit unzähligen ruinierten Dreschwerkzeugen (sponsored by Nike) gepflasterte Agro-Werkstätte Retreat beworben. Das hier provoziert und der Benutzer vorgeführt wird, sollte längst klar sein. Bouchet lockt weiter, "es gibt so viele Aggressionen gegen Kunst im öffentlichen Raum" , und jetzt greift doch jemand zum Schläger, um beherzt auf den Kopf einzuhämmern.

Retreat heißt auch die komplette Werkserie, die der in Frankfurt lebende Kanadier (geb. 1970) in den neuen Räumen der Bawag Foundation am Franz-Josefs-Kai aufreiht: Freizeit, Rückzug, Sicherheit. Retreat spielt mit den verschiedensten Begriffsbedeutungen; Bouchets Assoziationen nehmen unterschiedlichste Formen an, verknüpfen sich mit den Themen Unterhaltung, Sex sowie Celebrities und Konsum.

Verdorbenes Fleisch

Da hätten wir etwa die 10.000 Canburger, Bouchet, 2007, die freilich längst verdorbene Hamburger-Ware im goldenen Döschen - eine ironische Reminiszenz an den von Piero Manzoni abgefüllten Künstlerkot. Für ein bisschen mehr Luxus und schaumige Träume offeriert Bouchet Jacuzzis. Die zerknautschten, buntlackierten und zum Baden völlig ungeeigneten Papp-Becken widmet er Promis wie Berlusconi oder den Olsen-Zwillingen. Im Kontakt mit Wasser würden diese ebenso absaufen wie sein US-Einfamilienhaus auf der Biennale Venedig 2009. Nach der aufwändigen Bergung war der Künstler aber zufrieden. Die Wasserschäden sah er nachträglich als Vollendung, als seine Signatur zum Werk an.

Vollendet ist nach nur knapp fünfmonatiger Umbauzeit auch das neue Domizil der Bawag Foundation, die ihre Ausstellungsschiene mit sechswöchig wechselnden Schauen und künftig unter dem Namen Bawag Contemporary fährt: Das vereint nun die bisherige internationale mit der sehr jungen, experimentellen und österreichlastigen Linie, die man im Ausweichquartier Barnabitengasse verfolgte.

Aus 24 verkastelten Raumzellen haben die Architekten Propeller Z "mit einem näher an der Wohnungssanierung als am Museumsbau liegenden Budget" offene 650 Quadratmeter geschaffen. Wo möglich, wurden historische Elemente des 1904 von den "Bau-Brüdern Schwadron" errichteten Gebäudes erhalten. Ein Büroraum öffnet sich mit großer Fensterfront zum Ausstellungsraum: Sprechkontakt ist mittels einer an alte Bankschalter gemahnende Klappe (die Bawag PSK-Zentrale liegt in der Nähe) möglich.

Über den Auszug aus der Wiedner Hauptstraße, wo man sich zwei Jahre das Quartier mit der Generali Foundation teilte oder kurzfristig "untergekommen" sei, verliert Bawag-PSK-Vorstandsdirektorin Regina Prehofer jetzt Worte, die auch zu gescheiterten Liebesbeziehungen passen würden: Es war eine "Erfahrung" und "eine fruchtbare Zeit". (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 08./09.05.2010)