Bild nicht mehr verfügbar.

Hafen in Athen: Die meisten Luxusyachten gehören reichen Griechen, Nationalflaggen sind aber selten. Auch die großen Reeder des Landes sitzen im Ausland.

Foto: APA/EPA/Daniilidis
Grafik: STANDARD

Auf der Straße, die rund um den Yachthafen von Pasalimonis führt, türmt sich der Abfall. Die griechische Müllabfuhr hat ihren Streik gegen die Regierung zwar beendet, kommt aber mit der Arbeit nicht nach. Keine zehn Schritte entfernt reiht sich eine Luxusyacht an die andere. Die Schiffe gehören zumeist Griechen. Die Flaggen zeigen aber, dass die meisten dieser schwimmenden Limousinen in Großbritannien oder in der Karibik gemeldet sind. Das spart Steuergeld.

Neben den großen Booten liegen die kleinen der örtlichen Fischer. Sie sind heruntergekommen, kaum eines sieht für den Laien seetüchtig aus. Der Hafen von Pasalimonis, unweit von Athen, ist dieser Tage ein perfektes Abbild Griechenlands. Reichtum und Armut, Schönheit und Verfall, Korruption und Fleiß: Der ganze Cocktail, der den Ägäis-Staat an den Rand der Pleite getrieben hat, hier kann man ihn auf einem Fleck bestaunen.

Griechenland steht vor der größten Umwälzung seiner Geschichte. "Zwei Dinge werden darüber entscheiden, ob all diese Maßnahmen akzeptiert werden" , sagt der Athener Ökonom und Politologe Loukas Tsoukalis. "Die Menschen müssen das Gefühl bekommen, dass die Lasten gleich verteilt sind und Korruption und Steuerflucht ein Ende haben."

Schluss mit Korruption, Schluss mit Steuerflucht: Bei den Großdemonstrationen der vergangenen Tage in Athen wurde kaum eine Forderung öfter skandiert. Tatsächlich scheinen diese Forderungen erhört worden zu sein. Denn die griechische Regierung hat im Parlament nicht nur das vom Internationalen Währungsfonds und der EU diktierte Sparprogramm beschließen lassen.

Zauberwort Rechnung

Athen will auch einen erneuten Versuch starten, die gigantische Schattenwirtschaft des Landes unter Kontrolle zu bekommen. Gesetzt wird auf einen Mix aus Anreizen und Sanktionen. Für das Jahr 2010 können Griechen bei ihrer Steuererklärung erstmals bestimmte Ausgaben geltend machen und damit ihre Steuerlast mindern. Das neue Zauberwort heißt "Rechnungen" . Wer etwa Quittungen für den Mechaniker oder bestimmte Arztrechnungen vorweisen kann, kann künftig Einkommenssteuer sparen. Beschlossen wurden auch strengere Kontrollen von Unternehmen und höhere Strafen für Steuersünder.

Aber trotz allem ist es fraglich, ob die Maßnahmen je Wirkung zeigen. Manche Dinge, wie das Verlangen einer Rechnung, haben in Griechenland keine Tradition. Kaum jemand weiß darüber besser Bescheid als Costas Bakouris. Der grauhaarige Herr im Anzug ist seit dreieinhalb Jahren Leiter von Transparency International Griechenland. Er empfängt Gäste in einem kargen Büro am Rande des Zentrums von Athen.

"Korruption - das sind in Griechenland eigentlich zwei Phänomene" , sagt Bakouris. Zunächst geht es um Bestechung, um, wie die Griechen sagen, "Fakelaki" . Einer von sieben Griechen gibt in Umfragen an, schon einmal Fakelaki betrieben zu haben. 1500 Euro betragen die Schmiergelder durchschnittlich im öffentlichen Sektor, und 1700 Euro zahlt man für Gefälligkeiten in der Privatwirtschaft. Das Fakelaki-Volumen wird auf 800 Millionen Euro im Jahr geschätzt.

Zudem wird ein Drittel der griechischen Wirtschaftsleistung schwarz erzielt. Dem Staat entgehen 18 bis 20 Milliarden Euro, sagt Bakouris. Das Ganze nimmt mitunter abstruse Züge an: Für die Einkommenssteuer spielt auch das persönliche Vermögen eine Rolle, also unterschlagen viele ihre Eigentumsverhältnisse. Vor kurzem zählten die Steuerbehörden mit Luftaufnahmen die Zahl der Pools in der Athener Region. Sie fanden 16.000. Gemeldet waren nur 384 Becken. Zu hören ist auch, dass bis zu zwei Millionen Häuser am Land nicht registriert sein sollen.

Staat als schlechtes Beispiel

Dennoch möchte Bakouris festgehalten wissen, dass Korruption in Griechenland nicht schlimmer ist als beispielsweise in Italien. "Uns trifft es nur mehr, weil wir ärmer sind." Und die Strukturen sind anders. In Italien gibt es die Mafia, wer hinterzieht aber in Griechenland Steuern? Für Arbeiter und Angestellte wird Lohnsteuer wie im Rest Europas einbehalten, sagt Bakouris. Der große Teil der Hinterziehung geschehe bei "gehobenen Selbständigen", also besserverdienenden Ärzten, Anwälten und mittelständischen Geschäftsleuten.

Mit schlechtem Beispiel vorangegangen ist auch der Staat selbst. Bekannt ist, dass sich Griechenland mit falschen Zahlen in die Eurozone geschummelt hat. Der Athener Politologe Paris Varvaroussis spricht aber von einem seit Jahrzehnten etablierten System des Staatsklientelismus. "Wenn ich auch nur einen Assistenten einstellen will, läuten meine Telefone heiß, weil mir irgendjemand sagen will, wenn ich nehmen soll" , erzählt er.

Aber das Problem der geringen Einnahmen hängt natürlich nicht nur mit Steuerhinterziehung zusammen, sondern auch mit der Struktur der griechischen Wirtschaft. In Griechenland geht es nicht nur um klassische Steuertricks der Konzerne. Griechenland ist die größte Seefahrtnation der Welt. Nach Schätzungen befinden sich 20 Prozent der weltweiten Containerschiffe im Eigentum von Griechen. "Schifffahrt ist per Definition mobiles Kapital, und daher national nur sehr schwer zu besteuern" , sagt George Pagoulatos von der Wirtschaftsuni Athen.

Konzernsitz im Ausland

Die großen Reedereien sitzen in der Londoner City, da ist für Athen nicht viel zu holen. Pagoulatos kritisiert die Bemühungen der Regierung auch als zu zaghaft. "Pensionisten und Angestellte tragen die Hauptlast der Einsparungen, auch gegen Steuerflucht hätte mehr getan werden müssen." Bei Transparency International ist man hingegen vorerst zufrieden, die Rede ist von "ambitionierten Plänen" . Freilich macht man sich auch Sorgen. Denn als öffentlich Bedienstete sind Steuerfahnder selbst massiv von den Lohnkürzungen betroffen. "Und heute weiß noch niemand, welche Auswirkungen das haben wird" , sagt Transparency-Chef Bakouris.  (András Szigetvari aus Athen, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.5.2010)