RCW 120 ist eine galaktische Blase mit einer großen Überraschung.

Foto: ESA/PACS/SPIRE/HOBYS Consortia

Die Sternentstehungsregion ISOSS J22164+6003 (Kombinationsbild: Fern-Infrarotaufnahme des Herschel-Weltraumteleskops; Nah-Infrarotaufnahme des Calar-Alto-Observatoriums).

Foto: ESA/MPIA/O. Krause

Zum einjährigen Jubiläum des Weltraumteleskops Herschel haben Forscher und Forscherinnen im Rahmen eines Symposiums der europäischen Weltraumagentur ESA eine positive Bilanz gezogen: Erste Beobachtungen mit dem derzeit größten Weltraumteleskop haben neue Erkenntnisse über die Entstehung von Sternen, über Staub in fernen Galaxien und über Moleküle im fernen Weltall geliefert. Herschel beobachtet im Bereich der fernen Infrarotstrahlung. Damit sieht das Teleskop vor allem die Wärmestrahlung besonders kalter Materie, beispielsweise kalter Molekül- und Gaswolken.

DIE Gelegenheit

In der sternbildenden Wolke RCW 120 hat Herschel einen Stern in der Embryophase entdeckt, der sich innerhalb von einigen Hunderttausend Jahren zu einem der hellsten und größten Sterne in unserer Galaxie entwickeln dürfte. Er besitzt bereits die acht- bis zehnfache Masse unserer Sonne und ist von einer 2.000 Sonnenmassen erreichenden Gas- und Staubwolke umgeben, aus der er weiter Materie beziehen kann. Der Stern wird also weiter wachsen.

Paradoxon

Massive Sterne sind selten und kurzlebig. Einen in der Entstehungsphase zu "erwischen", ist eine einmalige Gelegenheit, ein lange bestehendes Paradoxon in der Astronomie zu klären, gab die ESA bekannt. "Unserem jetzigen Verständnis nach dürften sich keine Sterne mit einer Masse von mehr als acht Sonnenmassen bilden", so Annie Zavagno vom Laboratoire d'Astrophysique in Marseille (Frankreich). Das intensive Licht, das von derart großen Sternen abgegeben wird, sollte nämlich ihre Geburtswolken zersprengen, bevor sich mehr Masse anhäufen kann.

Aber sie entstehen - irgendwie. Von diesen "unmöglichen" Sternen sind viele bekannt. Manche der Sterne fassen bis zu 150 Sonnenmassen. Mit Hilfe von Herschels Beobachtung kann nun untersucht werden, wie der Stern der astronomischen Theorie widerspricht.

Bilanz

Auch deutsche Forscher ziehen eine positive Jahresbilanz: "Mit Herschels leistungsfähigen Wärmekameras können wir tiefer in die verborgenen Geburtsstätten der Sterne hinein sehen als je zuvor", so Oliver Krause vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPI) in Heidelberg (Deutschland). Herschels Spektrometer HIFI wiederum lieferte neue Erkenntnisse zur Zusammensetzung der Molekülwolken, aus denen Sterne entstehen. So konnte das Instrument in solchen Wolken erstmals das Molekül Oxidaniumyl ("Wasser, dem ein Elektron fehlt") nachweisen. "Diese Molekülsorte ist noch nie zuvor außerhalb unseres Sonnensystems beobachtet worden", erklärte Jürgen Stutzki von der Universität Köln - "und sie spielt eine zentrale Rolle in der Sauerstoffchemie in interstellaren Wolken."

Hintergrund

Das nach dem Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel (1738-1822) benannte High-Tech-Instrument wurde am 14. Mai 2009 mit einer Ariane-5-Rakete in den Weltraum gebracht. Wie das MPI bekannt gab, wird die Mission mindestens dreieinhalb Jahre dauern. Herschel ist an einem sogenannten "Lagrangepunkt" stationiert: 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Von dort aus gesehen stehen Erde und Sonne – Störquellen, deren starke Infrarotstrahlung Herschel meiden muss – immer beide in derselben Richtung. Das Weltraumteleskop "dreht" ihnen quasi "den Rücken zu" und beobachtet in die entgegengesetzte Richtung. Zum Vergleich: Das Weltraumteleskop Hubble befindet sich nur knapp außerhalb der Erdatmosphäre in 575 Kilometern Höhe. (dy)