Brüssel - Zwei Tage vor dem am Freitag in Brüssel stattfindenden Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der EU hat Deutschland am Mittwoch seine Pläne für eine drastische Verschärfung der Regeln im Euro-Stabilitätspakt und zur Schaffung neuer Regeln präzisiert. Sie sollen die Sicherstellung solider Haushaltsführung durch die Mitgliedstaaten erzwingen. "Offenheit, Klarheit und Schonungslosigkeit" sei jetzt nötig, erklärte Kanzlerin Angela Merkel bei der Bundestagsdebatte zur Griechenlandhilfe in Berlin. Sie verknüpfte "die Zukunft Europas" mit dieser Hilfe, in Folge müsse es jetzt aber massive "Änderungen in den EU-Verträgen" geben.

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Pläne, die bis Jahresende vom Ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy bearbeitet werden sollen, in einem Sechs-Seiten-Papier für einen "Krisenbewältigungsrahmen" zusammengefasst:

  1. 1.) Um die von den EU-Staaten in Brüssel vorgelegten Zahlen auf Richtigkeit prüfen zu können, soll die Statistikbehörde Eurostat mehr Kompetenzen erhalten, direkten Zugang zu Dokumenten.
  2. 2.) Die Defizitverfahren gegen Budgetsünder sollen deutlich beschleunigt werden, die EU-Kommission früher aktiv werden.
  3. 3.) Sanktionen, wie sie der Stabilitätspakt gegen Defizitsünder vorsieht, sollen nicht mehr durch politische Beschlüsse ausgehebelt werden können (wie das Deutschland und Frankreich 2005 taten). Sie kämen automatisch.
  4. 4.) Entzug der Stimmrechte für ein Land: Verletzt ein Land die Euro-Regeln, darf es im EU-Finanzministerrat nicht mehr abstimmen.
  5. 5.) Entzug des Stimmrechts auch in anderen Bereichen. Merkel will sogar so weit gehen, dass Länder Subventionszahlungen etwa aus der Regionalförderung oder den Agrarfonds entzogen werden können.
  6. 6.) Insolvenzrecht: Auf EU-Ebene soll geregelt werden, wann und wie ein Land in einen geordneten Staatsbankrott geführt wird.
  7. 7.) Schließlich soll ein Europäischer Währungsfonds (EWF) eingerichtet werden, der Länder mit Zahlungsproblemen stützt. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.5.2010)