Paris/Taipeh - In einem von Korruptionsvorwürfen umwucherten Fregattenverkauf muss der französische Rüstungskonzern Thales 630 Millionen Euro Entschädigung an Taiwan zahlen. Ein Pariser Schiedsgericht habe Thales für schuldig befunden, bei dem Rüstungsgeschäft von 1991 verbotene Kommissionen an Vermittler entrichtet zu haben, teilte das Unternehmen am Montagabend mit. Es will gegen den Spruch in Berufung gehen.

Taiwan hatte 1991 von Frankreich sechs Fregatten im Wert von 2,8 Milliarden Dollar (heute 2,1 Milliarden Euro) gekauft. Thales soll mehrere hundert Millionen Dollar als Vermittlungsprovisionen gezahlt haben, um den Zuschlag zu erhalten. Laut Taiwan war das nach der Ausschreibung strikt verboten. Taipeh wirft den Franzosen vor, die Provisionen dann auf den Kaufpreis aufgeschlagen zu haben, weshalb das Rüstungsgeschäft für Taiwans Marine deutlich teurer geworden sei als nötig. In Frankreichs Wirtschaft und Politik schlägt der Fregattenverkauf seit Jahren immer wieder Wellen, weil ein Teil der Vermittlungsgelder an französische Empfänger zurückgeflossen sein soll.

Keine Zweifel an Verantwortung

Das Schiedsurteil, das im Kaufvertrag bestimmte Richter fällten, lasse keinen Zweifel an "der Verantwortung von Thales" zu, sagte der Anwalt der taiwanesischen Marine, Xavier Nyssen, der Nachrichtenagentur AFP. Taiwans Präsident Ma Ying-Jeou begrüßte die Entscheidung. Die taiwanesische Regierung dementierte Medienberichte, wonach Frankreich versuchte, die Strafzahlung noch zu verhindern, indem es dem Inselstaat die Lieferung von Kampfjets und Raketen anbot.

Thales bestritt die "Grundlage dieser Verurteilung" und kündigte an, Einspruch vor dem Pariser Berufungsgericht einzulegen. Laut der Zeitung "Le Parisien" vom Dienstag will das Unternehmen die Aufhebung der Geheimhaltung für das Rüstungsgeschäft verlangen. Dies haben französische Verteidigungsminister in den vergangenen Jahren immer abgelehnt.

Ein Pariser Untersuchungsrichter musste deshalb 2008 seine Ermittlungen zu dem Fregattenverkauf einstellen. Er war Vorwürfen nachgegangen, dass Teile der Vermittlungsgelder an Mitarbeiter des Thales-Vorläufers Thomson-CSF sowie Politiker und Parteien in Frankreich geflossen sein könnten. In der sogenannten Clearstream-Affäre war 2004 eine Liste mit angeblichen Empfängern des Geldes aufgetaucht, die sich dann aber als gefälscht erwies. In Taiwan selbst wurden wegen des Fregattengeschäfts über ein Dutzend Offiziere und Geschäftsleute wegen Korruption und des Verrats von Militärgeheimnissen verurteilt.

Selbst wenn die Entscheidung gegen Thales bestätigt wird, muss das Unternehmen den Betrag nach Angaben aus Industriekreisen voraussichtlich nicht vollständig selbst zahlen. Denn der Thales-Vorläufer Thomson-CSF war bei dem Geschäft zwar Konsortialführer, hatte aber nur einen Anteil von 27 Prozent an dem Auftrag. 73 Prozent entfielen auf die die französische Staatswerft DCN. Aus Industriekreisen hieß es, der französische Staat müsse deshalb einen entsprechenden Anteil an der Entschädigung übernehmen. Die französische Regierung und das DCN-Nachfolgeunternehmen DCNS wollten zunächst keine Stellungnahme abgeben. (APA)