Johann "Hansi" Kovac geigte für Österreichs Team beim Homeless World Cup 2008 in Melbourne.

Foto: Filmladen Filmverleih

Wien - "Ich möchte dort wirklich was reißen" , sagt Johann Kovac im tiefsten Wiener Dialekt, während er im 80er-Jahre-Trainingsanzug nachdenklich einen Zug von seiner Zigarette nimmt. "Das ist dann wahrscheinlich mein Abschied vom Sport."

Johann Kovac, den alle nur "Hansi" nennen, ist einer der Stars des österreichischen Fußball-Nationalteams. Gemeinsam mit sieben Mitspielern trainiert der 41-Jährige für sein großes Ziel: die Teilnahme am Homeless World Cup 2008 in Melbourne, Australien. Für die Streetsoccer-WM für Obdachlose, Asylwerber und ehemalige Alkohol- und Drogenabhängige hat sich Hansi nicht nur mit seinen ballesterischen Fähigkeiten qualifiziert, sondern auch mit seiner Lebensgeschichte.

Der Dokumentarfilm Kick Off des deutsch-kurdischen Regisseurs Hüseyin Tabak erzählt von Hansi und seinen Teamkollegen begleitet, von der Auswahl der Mannschaft durch den Teamchef, den ehemaligen Nationalteam-Kicker Gilbert Prilasnig, von Trainingslagern, Team-Building-Seminaren und von der Vorstellung der Mannschaft vor 30.000 Fans im Wiener Happel-Stadion, bis zum großen Turnier nach Australien. Ab 7. Mai ist der Streifen, der laut Tabak "kein Fußballfilm ist, obwohl es ein Fußballfilm ist" , in den Kinos zu sehen.

Das gemeinsame sportliche Ziel, Fußball-Weltmeister zu werden, steht im Mittelpunkt, ist allgegenwärtig. Und doch sind es die Schicksale der einzelnen Protagonisten, über die der Film spricht. "Jeder Mensch hat seine Geschichte" , sagt Hüseyin Tabak dem Standard. "Die Frage ist nur, ob er sie erzählt."

Hansi etwa, der ehemalige Alkoholiker, erzählt, in welchen Zugwaggons und unter welchen Brücken er geschlafen hat, als ihm sein Leben nichts mehr wert war. Orhan Yildirim (28) spricht über seine ehemalige Drogensucht und seine Gefängnisaufenthalte. Exdealer Serkan Yavuz (31), der Dribblanski, will einen Schlussstrich unter seine Zwangsheirat in der Türkei ziehen. Am Schluss des Films öffnet sich Goalie Richard Hackl (26). Er, der Einzige, der während der Dreharbeiten noch obdachlos ist, spricht über seine Drogensucht, seine Selbstmordversuche und sein Kind, das er noch nie gesehen hat.

Niedrige Rückfallquote

"Mittlerweile hat Richard seit einem Jahr eine Wohnung, einen Job und eine Freundin" , erzählt Tabak, der mit den Protagonisten immer noch in Kontakt steht. "Trotzdem ist es nach wie vor schwierig für die Jungs. Jeder Tag ist ein Kampf." Die Rückfallquote in alte Gewohnheiten bei den Teilnehmern am Turnier ist dennoch beachtlich niedrig. Zwei von drei Spielern konnten ihr Leben signifikant verbessern.

Tabak, der 1998 selbst Deutscher Streetsoccer-Meister war, weiß um die Macht des Fußballs. Vor allem, wenn es um soziale Integration geht. "Kick Off" ist seine Hommage an den Homeless World Cup und die Teilnehmer.

Das Fußballturnier, das Menschen am Rand der Gesellschaft für wenige Momente ins Zentrum des Geschehens rückt, gibt es seit 2003. Miterfunden wurde es vom Österreicher Harald Schmied, der in seiner Heimat Graz zum Auftakt dem österreichischen Team zum Weltmeistertitel gratulieren durfte. Seit sieben Jahren gibt der ehemalige Sturm-Graz-Spieler Gilbert Prilasnig den Teamchef. Seit 2004 darf er sich, wie Ernst Happel, Vizeweltmeister nennen.

Für das diesjährige Turnier Mitte September in Rio de Janeiro wird bereits fleißig unter den 31 Fußballteams von sozialen Einrichtungen in Österreich gesichtet - Tendenz steigend. Schließlich sollen jedes Jahr acht neue Spieler die Chance bekommen, ihr Leben durch den Fußball wieder in den Griff zu bekommen. (David Krutzler, DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 3. Mai 2010)