Wie die Parteien auf der Insel richteten sich bisher auch die Londoner Zeitungen an der englischen Klassengesellschaft aus. Die konservativen Blätter, allen voran The Times, unterstützten selbstverständlich die Tories, Labour-Wähler fanden sich im Daily Mirror und dem einst in Manchester gegründeten Guardian wieder.

Die "Eiserne Lady" Margaret Thatcher regierte unangefochten nicht zuletzt dank der Unterstützung rechter Medien; ihr Gegenspieler, Labour-Chef Neil Kinnock, wurde gnadenlos niedergeschrieben. Im Wahlkampf 1992 beschrieb ihn das Revolverblatt Sun als "walisischen Windbeutel" und als kommunistische Gefahr. Hinterher verkündete sie ebenso stolz wie grammatikalisch falsch: "It's the Sun wot won it" - "Die Sun hat's vollbracht."

Unter Tony Blairs "New Labour" sind die Fronten aufgeweicht, das Internet hat den Meinungspluralismus befördert. Dass die konservativen Blätter, deren Besitzer lange von laxen Gesetzen und niedrigen Steuern profitierten, neuerdings wieder auf die Tories setzen, hat sich seit langem angekündigt. Die Abkehr langjähriger Labour-Freunde wird Premier Gordon Brown hingegen schmerzen.

Der Guardian und ihre Sonntagszeitung Observer sind ins Lager der Liberaldemokraten übergelaufen. Vielleicht kündigt sich mehr an als nur eine Wahlniederlage für Labour: der dauerhafte Abstieg der alten, durch Blair und Brown ideologisch entkernten Arbeiterpartei. (Sebastian Borger/DER STANDARD, Printausgabe, 3.5.2010)